vi
si
o
– 22 –
Informationsaustauschs erfordert internationale Standards
zum Datenschutz, wie die 27. Internationale Datenschutzkonferenz in Montreux 2005 festgestellt hat (vgl. Nr. 3.5).
Zugleich sind die Regierungen und Parlamente gefordert,
die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der internationalen Informationsgesellschaft zu gewährleisten. Von der
Europäischen Union ist dabei zu erwarten, dass sie weiterhin ihre Vorreiterrolle in Sachen Datenschutz wahrnimmt. Die Europäische Datenschutzrichtlinie von 1995
hat Maßstäbe gesetzt, die inzwischen in vielen Teilen der
Welt akzeptiert werden. Die EU sollte daran anknüpfend
für die bislang ausgesparten Bereiche ebenfalls entsprechende Vorgaben definieren und nicht etwa unter der
Flagge vermeintlichen „Bürokratieabbaus“ oder eines
„Kriegs gegen den Terror“ den erreichten Datenschutzstandard aushöhlen. Gerade in schwierigen und von Konflikten gekennzeichneten Lagen müssen die demokratischen Gesellschaften ihre Prinzipien bewahren. Dies gilt
auch für den Datenschutz.
3.1
Europäische Rechtsentwicklung
Auch während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
wird der Datenschutz ein wichtiges Thema sein.
Im Mai 2005 haben der Bundestag und der Bundesrat jeweils mit großen Mehrheiten den Vertrag über eine Verfassung für Europa vom 29. Oktober 2004 ratifiziert. Bekanntlich ist der europäische Verfassungsprozess danach
ins Stocken geraten, nachdem der Entwurf bei Volksabstimmungen in Frankreich und in den Niederlanden keine
Zustimmung gefunden hatte. Die Zukunft der Europäischen Verfassung hat auch für den Datenschutz große Bedeutung, denn sie garantiert in den Artikeln I-51
und II-68 ausdrücklich das Grundrecht auf den Schutz
personenbezogener Daten. Sowohl das Auskunftsrecht
der Betroffenen als auch die unabhängige Datenschutzkontrolle werden auf europäischer Ebene als fundamentale Prinzipien einer freiheitlichen und demokratischen
Verfassungsordnung festgeschrieben. Die zügige Fortsetzung und ein erfolgreicher Abschluss des Verfassungsprozesses ist auch deshalb von besonderer datenschutzrechtlicher Bedeutung, weil die Verfassung wichtige
Anstöße auch in den Bereichen gibt, die von der europäischen Datenschutzrichtlinie bislang nicht erfasst werden.
Wenn Polizei- und Strafverfolgungsbehörden intensiver
zusammenarbeiten und dabei auch personenbezogene Daten ohne Rücksicht auf nationale Grenzen austauschen
sollen, wie dies im Haager Programm beschlossen wurde,
muss auch auf diesem Gebiet der Datenschutz europäisiert werden.
Von der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten
Halbjahr 2007 erwarte ich, dass sie auf Basis des von der
Europäischen Kommission vorgelegten Entwurfs die Arbeiten an einem Rahmenbeschluss des Rates über den
Schutz personenbezogener Daten, die bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden, zügig vorantreibt (s. u. Nr. 3.2.1). Ein
hoher, einheitlicher Datenschutzstandard wäre Ausdruck
einer an den Grundrechten der inzwischen 500 Millionen
Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union orientierten Politik. Er wäre zugleich auch ein Signal dafür,
dass der im Haager Programm niedergelegte Gedanke eines Gleichgewichts von Freiheit, Sicherheit und Recht
mit Leben erfüllt wird.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass
der Datenschutz in Europa weiterhin einen Schwerpunkt
meiner zukünftigen Arbeit bilden wird. So werde ich im
Rahmen der Präsidentschaft im Juni 2007 in Berlin ein
Symposium zu diesem Thema veranstalten.
Rumänien und Bulgarien, die schon seit einigen Jahren
Datenschutzgesetze haben, sind seit 1. Januar 2007 Mitglied der Europäischen Union und werden künftig als ordentliche Mitglieder an den Sitzungen der Artikel 29Gruppe teilnehmen. Auch in europäischen Ländern außerhalb der EU wird Datenschutz immer wichtiger.
Nachdem Russland im Jahre 2005 das Übereinkommen
des Europarats zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (vom
28. Januar 1981, Konvention 108) ratifiziert hatte, wurde
im Juli 2006 vom Präsidenten das erste Gesetz zum
Schutz personenbezogener Daten unterzeichnet. Das Gesetz tritt im Februar 2007 in Kraft und lehnt sich in den
Definitionen an die europäische Datenschutzrichtlinie 95/46/EG an.
3.2
Intensivierung der polizeilichen und
justiziellen Zusammenarbeit in Europa
3.2.1
Schaffung eines Raums von Freiheit,
Sicherheit und Recht
Die Intensivierung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden setzt einen gemeinsamen europaweiten Datenschutzstandard voraus.
Am 5. November 2004 verabschiedeten die Staats- und
Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten das Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht,
das Leitlinien im Bereich der Innen- und Justizpolitik für
den Zeitraum 2005 bis 2010 festlegt und eine Reihe von
Maßnahmen fordert, die auch aus datenschutzrechtlicher
Sicht von großer Bedeutung sind. So soll sich der Austausch strafverfolgungsrelevanter Informationen mit Wirkung vom 1. Januar 2008 nach dem Grundsatz der Verfügbarkeit richten, allerdings nur, wenn ein gemeinsamer
Datenschutzstandard in den Mitgliedstaaten der EU gilt,
der die Integrität und Vertraulichkeit der auf diese Weise
ausgetauschten Daten sowie eine wirkungsvolle Datenschutzkontrolle gewährleistet. Die Kommission hat daraufhin im Oktober 2005 Entwürfe eines Rahmenbeschlusses über den Austausch von Informationen nach
dem Grundsatz der Verfügbarkeit und eines Rahmenbeschlusses über den Schutz personenbezogener Daten, die
im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden, vorgelegt.
R
ev
i
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006
n