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Gleiches gilt für die Schaffung der diversen Auskunftsmöglichkeiten bei anderen Behörden, beispielsweise beim
Kraftfahrtbundesamt. Rein präventive Routineauskunftsersuchen sind als unverhältnismäßig abzulehnen. Es muss
deshalb klargestellt werden, dass diese Abfragen nur anlassbezogen, d. h. erst wenn aufgrund der Angaben der Betroffenen tatsächliche Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit bestehen, und zielgerichtet im
konkreten Einzelfall zulässig sind.
Darüber hinaus regelt der Gesetzentwurf Telefonbefragungen durch private Call Center zur Feststellung von Leistungsmissbrauch. Unabhängig von den rechtlichen Bedenken, diese hoheitliche Aufgabe nichtöffentlichen Stellen zu
übertragen, muss die Freiwilligkeit der Teilnahme ausdrücklich klargestellt werden.
Die vorgesehene Verpflichtung der Leistungsträger zur Einrichtung eines Außendienstes für Hausbesuche vermittelt
den nicht zutreffenden Eindruck, als würde hierdurch eine Mitwirkungspflicht der Betroffenen begründet. Dass diese
Hausbesuche unzweifelhaft wegen des grundgesetzlich geschützten Rechts auf die Unverletzlichkeit der Wohnung
(Artikel 13 GG) nur mit vorheriger Zustimmung der Betroffenen möglich sind und die Außendienstmitarbeiter kein
Recht zum Betreten haben, ist ausdrücklich zu betonen.
Schließlich beseitigt der Gesetzentwurf nicht die mehrfach von den Datenschutzbeauftragten kritisierten Unklarheiten der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn).
Im Gegenteil: Die Probleme werden durch den in sich widersprüchlichen Entwurf verfestigt. Einerseits soll die Bundesagentur für Arbeit in Angelegenheiten der ARGEn künftig die datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle sein.
Andererseits bestimmt der Gesetzentwurf, dass die Länder für die organisatorischen Angelegenheiten und damit auch
für den Datenschutz verantwortlich sein sollen. Eine effektive Datenschutzkontrolle wird dadurch unmöglich.
Die Datenschutzbeauftragten fordern den Deutschen Bundestag und den Bundesrat daher auf, den Gesetzentwurf
grundlegend mit Blick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu überarbeiten. Dieses Recht muss auch
bei denjenigen gewährleistet bleiben, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind.“

Jetzt steht wieder eine Neuauflage an, auch wegen der
durch das Fortentwicklungsgesetz bedingten Änderungen. Dieses Mal bin ich erfreulicherweise rechtzeitig,
nicht zuletzt auch im eigenen Interesse der BA, beteiligt
worden und habe gemeinsam mit den Landesbeauftragten
für den Datenschutz die geplanten Änderungen kritisch
geprüft. Die BA will meine Forderungen hierzu berücksichtigen. Erhebliche datenschutzrechtliche Mängel sind
nicht mehr festzustellen. Die noch vorhandenen Kritikpunkte betreffen überwiegend Detailfragen zur weitergehenden Optimierung der Formulare. Nicht erfolgt ist allerdings die von der BA zugesagte grundlegende
Überarbeitung des Zusatzblattes 8 „Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernäh-

Überarbeitet werden musste wegen der Neuregelungen in
§ 7 SGB II auch das Zusatzblatt 5 „Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft“. Nach
Abs. 3a wird eine derartige Gemeinschaft nunmehr vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben,
mit einem gemeinsamen Kind leben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Liegt
eine dieser Voraussetzungen vor, muss der Antragsteller
diese Vermutung widerlegen (Beweislastumkehr). Dies
ist datenschutzrechtlich problematisch, weil sensible Daten unbeteiligter Dritter tangiert bzw. Betroffene gezwungen sein könnten, ihre Leistungsbedürftigkeit Mitbewohnern und damit Dritten zu offenbaren. Um hier eine
exzessive Datenerhebung zu vermeiden, habe ich mich
dafür eingesetzt, dass das Formular als Anhaltspunkt Beispiele für eine mögliche Entkräftung enthält. Wichtig war
mir auch der Zusatz, bei Fragen solle sich der Antragsteller an seinen Sachbearbeiter wenden. Auf diese Weise
können nicht erforderliche Datenerhebungen vermieden
werden. Die Praxis wird zeigen, ob und welche Verbesserungen insoweit zukünftig noch sinnvoll sind.
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

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Die Erstauflage der Antragsformulare für das Alg II hatte
gravierende
Mängel
aufgewiesen
(vgl. 20. TB
Nr. 16.1.2). Die unter meiner Mitwirkung entwickelten
„Ausfüllhinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Antragsvordruck Arbeitslosengeld II“ hatten zunächst für
eine Entschärfung der Situation gesorgt. Gleichzeitig war
mit Unterstützung der Landesbeauftragten für den Datenschutz an der dringend erforderlichen datenschutzgerechten Neuauflage der Vordrucke gearbeitet worden. Immerhin hat das ursprünglich 16 Seiten lange
Hauptantragsformular „Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)“ in der letzten geltenden Fassung
„Stand August 2006“ nur noch einen Umfang von
6 Seiten.

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Die neuen Vordrucke weisen ein wesentlich höheres Datenschutzniveau auf als die Erstauflage.

rung“ im Zusammenwirken mit dem Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. Ich habe bereits mehrfach
darauf hingewiesen, dass die besonders sensiblen Gesundheitsdaten (z. B. eine Aidserkrankung) nicht in den
Vermittlungsbereich der Agenturen gelangen dürfen.
Auch für die Berechnung des Mehrbedarfs muss der Leistungssachbearbeiter die Diagnose nicht erfahren. Für die
Zusammenfassung von Diagnosen, die zur selben Krankenkostzulage führen, ist eine Übergangslösung getroffen
worden. Entsprechend der Zusage erwarte ich baldmöglichst einen Vorschlag, wie dauerhaft verfahren werden
soll.

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13.5.2 Antragsformulare für Alg II jetzt
datenschutzfreundlicher

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