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schieden hat. Im Rahmen einer Folgenabwägung hat es
mit Beschluss vom 22. März 2005 jedoch darauf verzichtet, das Gesetz mit einer einstweiligen Anordnung auszusetzen, so dass die Vorschriften am 1. April 2005 in Kraft
getreten sind. Ausschlaggebend war, dass das Bundesministerium der Finanzen (BMF) kurz zuvor einen Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) herausgegeben hatte, der einen Missbrauch des Verfahrens
ausschließen und eine unberechtigte Datenabfrage verhindern sollte.
Wie die Möglichkeit der Kontenabfragen in der Praxis
genutzt wird, haben meine Länderkollegen bei den antragstellenden Behörden und ich beim BZSt mehrfach
kontrolliert. Dabei wurden eine Reihe von Mängeln festgestellt. So wurden Kontenabrufe von unbefugten Personen angeordnet, Vordrucke falsch oder unvollständig
ausgefüllt und die Kontenabrufe falsch begründet, Ermessenserwägungen nicht durchgeführt bzw. nicht dokumentiert, Betroffene nicht über den Kontenabruf informiert
oder ihnen keine Gelegenheit gegeben, selbst die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Außerdem wurden Kontenabrufe entgegen den gesetzlichen Bestimmungen protokolliert und es wurden häufig mehr Daten zur
Verfügung gestellt, als von den antragstellenden Behörden benötigt wurden. Die Landesbeauftragten für den
Datenschutz (LfD) und ich haben hier auf Abhilfe gedrungen. Auch wenn noch nicht alle Mängel behoben
sind, arbeite ich gemeinsam mit allen beteiligten Stellen
an entsprechenden Lösungen. So wurde ein Vordruck entwickelt, mit dem sich systematisch die Voraussetzungen
für eine solche Maßnahme prüfen und dokumentieren lassen. Der Vordruck wurde inzwischen vom BMF mit den
Landesfinanzministerien erörtert und überwiegend von
den Ländern übernommen.
Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass vom BZSt Betroffenen bisher keine Auskunft darüber erteilt wird, ob
ein sie betreffender Kontenabruf durchgeführt wurde. Das
BMF vertritt die Auffassung, eine Auskunftserteilung sei
nicht erforderlich, da die Betroffenen regelmäßig von den
Abrufbehörden informiert würden. Zudem bestünde die
Gefahr, dass eine Auskunftserteilung den Ermittlungszweck gefährden könnte, was jedoch nur von der Abrufbehörde beurteilt werden könne. Diese Auffassung
vermag nicht zu überzeugen, zumal die datenschutzrechtlichen Kontrollen ergeben haben, dass die Betroffenen regelmäßig nicht über den erfolgten Kontenabruf informiert
werden (s. o.). Auch ist nicht ersichtlich, wie der Ermittlungszweck gefährdet werden könnte, wenn der Kontenabruf bereits erfolgt ist. Das BZSt muss dem Betroffenen daher die begehrte Auskunft erteilen.
Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass die Auskunftsansprüche der Betroffenen dringend in der AO geregelt werden müssen. Diese Forderung wird von den Datenschutzbeauftragten seit Jahren erhoben (vgl. 20. TB Nr. 8.1).
Das BMF hat zwar hierzu kürzlich erneut seine Bereitschaft signalisiert; ein Entwurf liegt mir aber noch nicht
vor.
Darüber hinaus habe ich festgestellt, dass Kontenabrufe
derzeit in den weitaus meisten Fällen nicht, wie in der
Gesetzesbegründung ausgeführt, zur Entdeckung hinterzogener Kapitalerträge, sondern im Rahmen von Zwangs-
vollstreckungen erfolgen. Das BMF sieht die Vollstreckung als Teil des Erhebungsverfahrens und hält daher
Kontenabrufe auch in diesem Bereich für zulässig. Ob
diese Rechtsauffassung vom Bundesverfassungsgericht
geteilt wird, bleibt abzuwarten.
Unterdessen hat die Finanzverwaltung die Zahl der Kontenabrufe ständig gesteigert. Während anfangs 60 Abfragen pro Tag möglich waren, sind es heute schon über 100.
Im Jahr 2007 soll die Abfragemöglichkeit auf täglich
5 000 Abfragen erhöht werden. Ich halte dies angesichts
der anhängigen Verfahren vor dem BVerfG für problematisch. Schließlich gibt es im BMF Überlegungen, doch
noch die von mir im Gesetzgebungsverfahren als Alternative zum Kontenabrufverfahren angeregte Abgeltungssteuer einzuführen, was zwangsläufig Auswirkungen auf
das Verfahren hätte.
8.3
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz –
Erfahrungen in der Praxis
Fast 7 000 Zollbedienstete bekämpfen bundesweit die
Schwarzarbeit. Bei den Ermittlungen vor Ort bleiben Datenschutzvorschriften jedoch oftmals unbeachtet.
Am 1. August 2004 trat das Gesetz zur Bekämpfung der
Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG) als Teil eines Artikelgesetzes in Kraft, mit dem die
Verfolgungszuständigkeit für diese Delikte auf Bundesebene bei der Zollverwaltung gebündelt wurde. Aus Beschäftigten der Bereiche Zoll, Arbeitsverwaltung, Post,
Telekom und Bahn entstand bei den Hauptzollämtern die
Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) mit derzeit etwa
7 000 Bediensteten an 113 Standorten.
Nachdem ich bereits das Gesetzgebungsverfahren intensiv begleitet hatte (vgl. 20. TB Nr. 8.4), habe ich die Auswirkungen und die datenschutzgerechte Anwendung der
Vorschriften in der Praxis geprüft. Dabei hat mich besonders interessiert, aus welchen Anlässen Ermittlungen aufgenommen bzw. Kontrollen durchgeführt werden und
welche Kriterien Art und Umfang der Ermittlungen bestimmen.
Die Kontrollen erfolgen entweder aufgrund von Hinweisen oder verdachtsunabhängig, wobei derzeit noch die
verdachtslosen Ermittlungen überwiegen. Schwerpunkte
liegen bei Baustellen und Gastronomiebetrieben, weil
hier nach Angaben der FKS oftmals Leistungsmissbrauch
beim Arbeitslosengeld I und II und Verstöße gegen das
Ausländerrecht auftreten. Im Prüfungsfall werde möglichst die gesamte Baustelle oder Gastwirtschaft umfassend kontrolliert (jeder Angetroffene; zum Ablauf
vgl. Kasten zu Nr. 8.3).
Zahlreiche Beschwerden zeigen, dass gerade bei den Befragungen durch die FKS Datenschutzvorschriften bisweilen unbeachtet blieben. Beispielsweise wurden Mitarbeiter in Restaurants und auf Messen während des
normalen Betriebs und vor unbeteiligten Gästen bzw.
Kunden befragt und dabei umfangreiche persönliche Daten (Name, Geburtsdatum, Gehalt) erhoben. Ich habe daher für diese Befragungen klare Dienstanweisungen und
entsprechende Schulungen der Mitarbeiter gefordert, was
das BMF auch zugesagt hat.
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BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006