Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
10.
–9–
Spionage
Die Bundesrepublik Deutschland ist unverändert ein Ausspähungsziel für Nachrichtendienste fremder Staaten. Neben der Informationsbeschaffung aus den klassischen Bereichen Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und
Technik besteht ein Interesse an der Ausspähung und Unterwanderung in Deutschland ansässiger Organisationen
und Personengruppen, die in Opposition zum Regime im
Heimatland stehen. Zunehmend wird Spionage mit Hilfe
des Internets betrieben. Die Bundesregierung hat dem
Gremium ihre diesbezüglichen Erkenntnisse regelmäßig
mitgeteilt.
11.
Verdeckte Online-Durchsuchung
Am 27. Februar 2008 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des
Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen
werden können – eine sog. Online-Durchsuchung – in das
aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG folgende Grundrecht auf Gewährleistung der
Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer
Systeme eingreift. Dieser Eingriff sei verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer
konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut
bestünden, das Gesetz den Eingriff grundsätzlich unter den
Vorbehalt richterlicher Anordnung stelle und Regelungen
für den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung
enthalte (BVerfG, 1 BvR 370/07, in: BVerfGE 120, 274 ff.).
Damit stand fest, dass die Nachrichtendienste des Bundes
nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht zu
solchen Grundrechtseingriffen befugt sind. Bis dahin war
– wie im Vorbericht dargestellt (siehe Bundestagsdrucksache 16/7540 S. 13 f.) – nicht ausgeschlossen worden, dass
eine solche Befugnis für das BfV aus § 9 Absatz 1, § 8
Absatz 2 BVerfSchG, für den MAD aus §§ 5, 4 Absatz 1
MADG und für den BND im Inland aus §§ 3, 1 Absatz 2
Satz 2 BNDG folgen könnte. Inzwischen haben BfV und
MAD ihre Dienstvorschriften über Methoden, Gegenstände und Instrumente der heimlichen Informationsbeschaffung nach § 8 Absatz 2 BVerfSchG bzw. § 4 Absatz 2
MADG in Verbindung mit § 8 Absatz 2 BVerfSchG dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts angepasst und entsprechende darin enthaltende Regelungen, die die Zulässigkeit von Online-Durchsuchungen voraussetzten, gestrichen.
12.
Beratung der Wirtschaftspläne
Gemäß § 2e Absatz 2 Satz 1 PKGrG a. F. hat das Gremium
im Berichtszeitraum die Wirtschaftspläne der Dienste für
das Haushaltsjahr 2009 mitberaten. Hierbei berichtete die
Bundesregierung auch über den Vollzug der Wirtschaftspläne des Jahres 2007. Anhand der Wirtschaftspläne und
der Vielzahl der darin enthaltenen Daten über die Struktur,
das Personal, die Vorhaben und Aktivitäten der Dienste
kam insofern die geheimdienstliche Tätigkeit insgesamt
auf den politischen Prüfstand.
Drucksache 16/13968
Das Kontrollgremium hat – wie in der Vergangenheit –
drei seiner Mitglieder für die Bereiche Personal/Organisation, Investitionen und operative Maßnahmen als Berichterstatter benannt, um eine gründliche und strukturierte Vorarbeit der Beratungen zu ermöglichen.
Dabei hat sich das Kontrollgremium auch über Fragen
aus den Bereichen der Organisation und Struktur der
Dienste unterrichten lassen. Die jeweiligen Personalkonzepte, die Aufgabenverteilungen innerhalb der Dienste
sowie deren technische Ausstattung spielten vor dem
Hintergrund der Herausforderungen bei der Bekämpfung
des internationalen Terrorismus, des Engagements der
Bundeswehr in Afghanistan sowie der rasanten Entwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie eine besondere Rolle.
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat jeweils im
Anschluss an die Beratungen der Wirtschaftpläne entsprechende Empfehlungen gegenüber dem Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses, das nach § 10a Absatz 2
der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969
(BGBl. I S. 1284), zuletzt geändert durch Gesetz vom
29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2346), letztlich für die Billigung
der entsprechenden Haushaltsmittel zuständig ist, abgegeben.
13.
Organisation und Struktur
der Nachrichtendienste
Das Gremium hat sich von der Bundesregierung fortlaufend über organisatorische Entwicklungen in den Nachrichtendiensten unterrichten lassen.
Dazu gehörten neben der weiteren Berichterstattung über
den bevorstehenden Umzug des BND nach Berlin auch
Fragen der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste untereinander und mit anderen Sicherheitsbehörden. So ließ
sich das Gremium über die Planungen des Bundesministeriums des Innern zur Schaffung eines Servicezentrums und
eines Kompetenzzentrums im Bereich der Telekommunikationsüberwachung informieren. In diesen Zentren soll für
das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Bundespolizei
und das Bundeskriminalamt eine gemeinsame Telekommunikationsüberwachungstechnik aufgebaut werden. Experten im Bereich der Telekommunikationsüberwachung
sollen zusammenarbeiten, um dem technologischen Wandel besser gerecht werden zu können (siehe dazu auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 16/10137). Ferner befasste sich das Gremium
mit der Frage, ob und ggf. wie Aus- und Fortbildungskapazitäten der Nachrichtendienste zusammengeführt werden können.
14.
Bericht des Bundesbeauftragten für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit
Der 22. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit für die Jahre
2007 und 2008 (Bundestagsdrucksache 16/12600) war,
soweit er Ausführungen zu den Nachrichtendiensten enthält, Gegenstand der Beratungen des Gremiums.