Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3.
–7–
Erfassung grundrechtsgeschützter E-Mails
und Telekommunikationsverkehre im
Rahmen der Auslandsaufklärung des BND
Das Parlamentarische Kontrollgremium befasste sich im
April 2008 aufgrund einer Eingabe mit dem auch in den
Medien thematisierten Vorwurf, der BND habe im Jahr
2006 im Rahmen der Auslandsaufklärung E-Mails einer
deutschen Journalistin im Ausland erfasst (vgl. DER
SPIEGEL vom 21. April 2008: „Hausmitteilung“). In diesem Zusammenhang hörte das Gremium zuständige leitende Mitarbeiter des BND an und nahm Einsicht in Akten.
Der damalige Vorsitzende des Gremiums, der Abgeordnete Thomas Oppermann (SPD), gab am 24. April 2008
nach einem mit der erforderlichen Mehrheit gefassten Beschluss des Parlamentarischen Kontrollgremium folgende
öffentliche Bewertung gemäß § 5 Absatz 1 Satz 5 PKGrG
a. F. ab:
„Das Parlamentarische Kontrollgremium hat sich in seinen Sitzungen am 23. und 24. April 2008 mit dem Vorwurf befasst, der BND habe im Jahr 2006 den E-MailVerkehr einer deutschen Journalistin im Zuge der Auslandsaufklärung erfasst. Das Gremium hat sich über den
Hintergrund der entsprechenden Maßnahme des BND informiert.
Das Gremium stellt dazu fest:
1. Das Einsehen und Aufbewahren der E-Mail-Korrespondenz stellt nach Intensität und Dauer eine erhebliche Grundrechtsverletzung der deutschen Journalistin
dar, obwohl sie weder der Grund noch das Ziel der
Aufklärungsmaßnahme des BND war.
2. Die erfassten E-Mails hätten wegen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung unmittelbar nach
Feststellung des Bezugs zu einer deutschen Grundrechtsträgerin gelöscht werden müssen, wie es die internen Regelungen des BND inzwischen auch ausdrücklich vorsehen.
3. Die Leitungsebene des Dienstes wurde über diesen
Vorgang innerhalb des Hauses erst ein Jahr später unterrichtet und nicht – wie es nach der heutigen Erlasslage im BND für IT-basierte Maßnahmen erforderlich
ist – bereits vor der Maßnahme eingebunden.
4. Das Kontrollgremium missbilligt, dass die Leitung des
BND weder die Bundesregierung noch das PKGr über
diesen Vorgang unterrichtet hat. Dadurch ist das Vertrauen zwischen dem PKGr und der Leitung des BND
gestört. Es ist Aufgabe der politisch Verantwortlichen
und der BND-Leitung, dieses wiederherzustellen und
die Funktionsfähigkeit des BND zu erhalten.“
Auch in der Folge ließ sich das Gremium zum Einsatz
sog. IT-basierter nachrichtendienstlicher Mittel bei der
Auslandsaufklärung des BND und zu den dazu ergangenen internen Dienstanweisungen berichten. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Frage, welche organisatorischen und technischen Vorkehrungen zu treffen seien, um
Drucksache 16/13968
Grundrechtsverletzungen, namentlich von Persönlichkeitsrechten, zu vermeiden.
In diesen Kontext einzuordnen ist auch die Befassung des
Gremiums mit der Erfassung von Telekommunikationsverkehren des Afghanistan NGO Safety Office (ANSO)
– einer von der Deutschen Welthungerhilfe geleiteten, in
Afghanistan tätigen Nichtregierungsorganisation – im
Rahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung des BND,
die Gegenstand der Berichterstattung in den Medien war
(vgl. z. B. DER SPIEGEL vom 8. Dezember 2008: „Ausgespähte Entwicklungshelfer“).
4.
Festnahmen von drei BND-Mitarbeitern
im Kosovo
Am 19. November 2008 wurden drei BND-Mitarbeiter
im Kosovo wegen des Vorwurfs einer Verwicklung in einen am 14. November 2008 verübten Anschlag auf das
Gebäude des International Civilian Office (ICO) in Pristina festgenommen. Dies war Gegenstand umfangreicher
Berichterstattung in den Medien (siehe z. B. Süddeutsche
Zeitung vom 24. November 2008: „Kosovo bietet Berlin
die Stirn“).
Das Gremium befasste sich am 27. November 2008 in einer Sondersitzung mit dem Vorfall und fasste mit der erforderlichen Mehrheit den Beschluss, folgende Erklärung
nach § 5 Absatz 1 Satz 5 PKGrG a. F. abzugeben:
„Auf Grund der umfassenden Berichterstattung durch die
Bundesregierung und den BND kann das Gremium keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass die drei deutschen
Beamten in den Anschlag verwickelt sein könnten. Die
Gefangenen sind nunmehr neun Tage in Haft. Nach vorliegenden Informationen sind bisher keine Beweismittel
präsentiert worden. Dies ist kein rechtsstaatliches Verfahren. Die Haftbedingungen sind unmenschlich. Deshalb
erwartet das Gremium die unverzügliche Freilassung der
Festgenommenen.“
Nachdem die drei BND-Mitarbeiter am 28. November
2008 freigelassen worden waren, befasste sich das Gremium am 17. Dezember 2008 erneut mit der Angelegenheit. Dabei hörte es auch zwei der drei festgenommenen
BND-Mitarbeiter an und ließ sich von der Bundesregierung Einsicht in die den Fall betreffenden Dokumente gewähren.
5.
Bekämpfung des internationalen
Terrorismus
Wie bereits in früheren Berichtszeiträumen ließ sich das
Gremium auch in diesem Berichtszeitraum regelmäßig
über Maßnahmen zur Aufklärung der Strukturen im Bereich des internationalen Terrorismus, insbesondere des
islamistischen Extremismus und Terrorismus und den
hiervon ausgehenden Gefahren berichten. Hierin liegt
nach wie vor das Haupttätigkeitsfeld der bundesdeutschen Nachrichtendienste. In diesem Bereich kam es auch
zu den beiden einzigen Einsätzen technischer Mittel zum
heimlichen Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich
gesprochenen Wortes im Berichtszeitraum – in beiden