D.
I.
Die angegriffenen Vorschriften sind teilweise für nichtig und im Übrigen für mit der
Verfassung unvereinbar zu erklären.
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1. Die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Vorschriften führt
grundsätzlich zu deren Nichtigkeit. Allerdings kann sich das Bundesverfassungsgericht, wie sich aus § 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVerfGG ergibt, auch darauf beschränken, eine verfassungswidrige Norm nur für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 109, 190 <235>). Es verbleibt dann bei einer bloßen
Beanstandung der Verfassungswidrigkeit ohne den Ausspruch der Nichtigkeit. Die
Unvereinbarkeitserklärung kann das Bundesverfassungsgericht dabei zugleich mit
der Anordnung einer befristeten Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung verbinden. Dies kommt in Betracht, wenn die sofortige Ungültigkeit der zu beanstandenden Norm dem Schutz überragender Güter des Gemeinwohls die Grundlage entziehen würde und eine Abwägung mit den betroffenen Grundrechten ergibt, dass der
Eingriff für eine Übergangszeit hinzunehmen ist (vgl. BVerfGE 33, 1 <13>; 109, 190
<235 f.>; 141, 220 <351 Rn. 355>; stRspr).
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2. Danach sind § 26 Abs. 1 Nr. 4 und 5 PolG BW unmittelbar und § 22a Abs. 1 PolG
BW, soweit er auf diesen verweist, für mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) unvereinbar und nichtig zu erklären.
Da dem Landesgesetzgeber für die Regelung des § 26 Abs. 1 Nr. 4 und 5 PolG BW
die Kompetenz fehlt, kommt eine Nachbesserung nicht in Betracht.
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3. Nur für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären sind demgegenüber § 18
Abs. 2 Nr. 5 HSOG, soweit polizeiliche Kontrollstellen zur Verhütung von versammlungsrechtlichen Straftaten geregelt sind und dabei dem Zitiergebot des Art. 19
Abs. 1 Satz 2 GG nicht genügt wird, sowie § 14a Abs. 1 Satz 1 HSOG, soweit er auf
diesen verweist. Dies gilt auch für § 22a Abs. 1 Satz 1 PolG BW, soweit mit ihm auf
§ 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW, und für § 14a Abs. 1 Satz 1 HSOG, soweit mit ihm auf
§ 18 Abs. 1 HSOG verwiesen wird, und dabei die Einrichtung der automatisierten
Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht beschränkt wird. Ebenfalls nur für mit der Verfassung
unvereinbar zu erklären sind § 22a Abs. 1 Satz 1 PolG BW, soweit mit ihm auf § 26
Abs. 1 Nr. 6 PolG BW, und § 14a Abs. 1 Satz 1 HSOG, soweit mit ihm auf § 18
Abs. 2 Nr. 6 HSOG verwiesen wird, und dabei die Orte für die Durchführung der Kontrollen in Hinblick auf deren Grenzbezug nicht hinreichend bestimmt beschränkt sind.
Weiterhin gilt dies auch für § 22a Abs. 4 Satz 4 PolG BW und § 14a Abs. 4 Satz 4
HSOG, soweit diese eine weitere Verarbeitung der Informationen nicht auf den
Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse begrenzen.
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All diese Vorschriften sind nicht für nichtig, sondern nur für mit der Verfassung un-
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