aa) Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit dürfen nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Zwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient.
Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person führen
zwar dazu, dass der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte hinzunehmen
hat, wenn überwiegende Allgemeininteressen dies rechtfertigen. Der Gesetzgeber
muss aber zwischen Allgemein- und Individualinteressen einen angemessenen Ausgleich herstellen. Dabei spielt auf grundrechtlicher Seite eine Rolle, unter welchen
Voraussetzungen welche und wie viele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Maßgebend sind also insbesondere die Gestaltung der
Einschreitschwellen, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der Beeinträchtigungen. Im Bereich der Telekommunikationsüberwachung ist von Bedeutung, ob die Betroffenen als Personen anonym bleiben, welche Informationen erfasst werden können
und
welche
Nachteile
den
Grundrechtsträgern
aufgrund
der
Überwachungsmaßnahme drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden. Auf Seiten der mit dem Eingriff verfolgten Zwecke ist das Gewicht der Ziele und
Belange maßgeblich, denen die Telekommunikationsüberwachung dient. Es hängt
unter anderem davon ab, wie bedeutsam die Rechtsgüter sind, die mit Hilfe der Maßnahme geschützt werden sollen, und wie wahrscheinlich der Eintritt einer Rechtsgutverletzung ist (vgl. BVerfGE 100, 313 <375 f.>).

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bb) Die Überwachung der Telekommunikation auf der Grundlage des § 33a Abs. 1
Nr. 2 und 3 Nds.SOG ermöglicht einen schwerwiegenden Eingriff in das Fernmeldegeheimnis.

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(1) Nach § 33a Abs. 2 Nr. 1 bis 3 Nds.SOG können Kommunikationsinhalte, Verbindungsdaten und Standortkennung Gegenstand der Datenerhebung sein. Ziel sämtlicher Maßnahmen ist die Erhebung auf konkrete Personen bezogener Daten. Diese
lassen Einblicke insbesondere in das Kommunikationsverhalten, das soziale Umfeld
sowie persönliche Angelegenheiten und Gewohnheiten zu. Zudem wird die Freiheit
der Bürger mittelbar beeinträchtigt, weil die Furcht vor Überwachung unbefangene
Telekommunikation verhindern kann.

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Der Zugriff auf den Inhalt der Telekommunikation (§ 33a Abs. 2 Nr. 1 Nds.SOG) ermöglicht die Erfassung der Gespräche. Erfasst werden die übermittelten Informationen, die ausgesprochenen Gedanken sowie die Art der Interaktionen am Telefon.
Möglich wird der Zugriff auf Bilder und Zeichen sowie auf Inhalte, die aufgrund neuer
Kommunikationsformen (vgl. LTDrucks 15/240, S. 18) wie etwa E-Mail über das Internet ausgetauscht werden. Die Erhebung der Verbindungsdaten der Telekommunikation (§ 33a Abs. 2 Nr. 2 Nds.SOG) und die Standortkennung (§ 33a Abs. 2 Nr. 3
Nds.SOG) betreffen zunächst zwar nur die technische Abwicklung des Telekommunikationsvorgangs. Der Eingriff wiegt aber ebenfalls schwer. Verbindungsdaten lassen
erhebliche Rückschlüsse auf das Kommunikationsverhalten zu (vgl. BVerfGE 107,
299 <318 ff.>). Die Standortkennung eingeschalteter Mobilfunkendeinrichtungen
kann zur Erstellung eines Bewegungsbildes führen, über das gegebenenfalls auf Gewohnheiten der betroffenen Personen oder auf Abweichungen hiervon geschlossen

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