werden kann.
(2) Grundrechtlich bedeutsam ist ferner die große Streubreite der Eingriffe. Das Abhören und die Aufzeichnung der Gesprächsinhalte und die Erhebung der Verbindungsdaten können eine große Zahl von Personen treffen. Erfasst sind nicht nur die
potenziellen Straftäter, sondern alle, mit denen diese in dem betreffenden Zeitraum
Telekommunikationsverbindungen nutzen. Dazu können Personen gehören, die in
keiner Beziehung zu einer möglicherweise zu verhütenden oder später zu verfolgenden Straftat stehen, wie etwa Kontakt- und Begleitpersonen (§ 33a Abs. 1 Nr. 3
Nds.SOG) oder gänzlich unbeteiligte Dritte (§ 33a Abs. 2 Satz 3 Nds.SOG).
140
(3) Zur Intensivierung des Eingriffs trägt außerdem bei, dass die Betroffenen den
Überwachungsmaßnahmen in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit ausgesetzt werden (vgl. BVerfGE 34, 238 <247>; 107, 299 <321>). Ahnungslosigkeit besteht insbesondere bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen Dritten, von denen nicht angenommen wird, dass sie selbst die in Zukunft erwarteten Straftaten
begehen werden.
141
Eingriffe dieser Art bergen darüber hinaus hohe Risiken für die Rechte der Betroffenen auch deshalb in sich, weil diese gegen die Maßnahmen frühestens dann mit
rechtlichen Mitteln vorgehen können, wenn sie bereits vollzogen sind, und dies auch
nur, wenn sie darüber informiert werden oder auf andere Weise Kenntnis erlangen
(vgl. BVerfGE 107, 299 <321>). Bei Maßnahmen der Vorfeldermittlung ist aufgrund
der Ungewissheit, ob und wann Straftaten begangen werden, regelmäßig mit einer
längeren Zeitdauer bis zur Unterrichtung zu rechnen als bei sonstigen Überwachungsmaßnahmen. Dies wird durch die in § 30 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 Nds.SOG
enthaltenen großzügigen Regelungen über die Zurückstellung der Benachrichtigung
verdeutlicht. Durch eine erst spät erfolgende Mitteilung wird auch die in Art. 19 Abs. 4
GG enthaltene Garantie effektiven Rechtsschutzes berührt. Kann gegen einen Eingriff nicht in angemessener Zeit Rechtsschutz begehrt und können seine Folgen dadurch gegebenenfalls nicht zügig beseitigt werden, erhöht dies zusätzlich die Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung.
142
(4) Die Eingriffsschwere wird noch weiter durch die Möglichkeit der Behörden verstärkt, die erhobenen Daten - wie in § 38 Abs. 1 Satz 2 Nds.SOG vorgesehen - allgemein zu Zwecken der Gefahrenabwehr und nach § 39 Nds.SOG zu weiteren Zwecken zu speichern, zu verändern oder zu nutzen. Die Verwertung in anderen
Zusammenhängen ist ein eigenständiger Eingriff (vgl. BVerfGE 110, 33 <68 f.>).
143
Die Datenerhebung im Vorfeld der Begehung von Straftaten kann wegen der fehlenden Begrenzung auf eine konkret in der Verwirklichung begriffene oder schon begangene Straftat vielfältig nutzbare Informationen ergeben. Die Bindung an den Zweck,
den das zur Kenntnisnahme ermächtigende Gesetz festgelegt hat (zum Grundsatz
der Zweckbindung siehe BVerfGE 100, 313 <360 f.>), wird bei der weiteren Verwertung der erlangten Informationen praktisch kaum durchzuführen sein. Die Möglichkeit
der Verwendung der erhobenen Daten zu unbestimmten oder noch nicht bestimmba-
144
28/35