Drucksache 17/9100
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Rechtlich und thematisch erwähnenswerte Einzelfälle
Der folgende Abschnitt soll einen Einblick in das Themenspektrum geben, für das sich Bürgerinnen und Bürger
in der Berichtsperiode interessiert haben. Die dargestellten Fälle verdeutlichen auch, in welchen Bereichen des
Gesetzes weiterhin Unsicherheiten in der Anwendung bestehen. Ferner soll dieser Abschnitt einen Überblick über
die weitere, aktuelle Entwicklung von Fällen geben, die
ich bereits im 1. oder 2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit dargestellt habe.
5.1
Deutscher Bundestag
Auch in dieser Berichtsperiode beschwerten sich Petenten bei mir darüber, dass ihnen der Deutsche Bundestag
begehrte Informationen nicht zugänglich machte. Hier offenbart sich ein grundsätzliches Problem.
Bereits in den zurückliegenden Tätigkeitsberichten zur
Informationsfreiheit (vgl. 1. TB Nr. 4.15, 2. TB Nr. 4.4)
habe ich mich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die
Tätigkeit des Deutschen Bundestags und seiner Mitglieder dem IFG unterliegen. Von besonderer Bedeutung ist
dabei, ob sich die angefragten Informationen auf die eigentliche parlamentarische Aufgabe beziehen oder ob sie
bei der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben angefallen sind. Nur im letzteren Fall besteht
grundsätzlich ein Informationszugangsanspruch. Dagegen
unterliegt die eigentliche Mandatsausübung nicht dem IFG.
Von der Öffentlichkeit wird hinterfragt, ob hier die Grenzen für den Informationszugang zu eng gezogen sind.
5.1.1
Das UFO-Gutachten des
Wissenschaftlichen Dienstes als
unbekanntes Informationsobjekt?
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages
fertigt für Abgeordnete Gutachten zu sehr unterschiedlichen Themen an. Die Parlamentsverwaltung sollte ihre
ablehnende Haltung zur Herausgabe solcher Gutachten
überdenken.
Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen
nach dem IFG gilt auch für Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Dies
hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden (Urteil vom 1. Dezember 2011 – VG 2 K 91.11 –). Dieses
Urteil stützt meine Auffassung, dass Ausarbeitungen der
Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags
nicht mit dem Hinweis auf den Schutz des Mandatsverhältnisses der Öffentlichkeit vorenthalten werden dürfen.
Der Kläger hatte beantragt, ihm Einblick in die vom Wissenschaftlichen Dienst erstellte Ausarbeitung „Die Suche
nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VNResolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter
Flugobjekte und extraterrestrischen Lebensformen“ aus
dem November 2009 zu geben. Die Bundestagsverwaltung
lehnte dies mit der Begründung ab, bei der Erstellung von
Gutachten handele es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgabe, die dem IFG unterliege. Der
3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wissenschaftliche Dienst unterstütze die Abgeordneten
im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Ausübung des
Mandats. Seine Tätigkeit und die daraus resultierenden
Gutachten seien damit der Mandatsausübung zuzurechnen, die vom Geltungsbereich des IFG ausgenommen sei.
Das VG Berlin ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat
klargestellt, dass die originär verfassungsrechtliche Kernaufgabe des Parlaments im Wesentlichen in der Gesetzgebung und der Kontrolle der Regierung bestehe. Dazu gehöre gerade nicht die Arbeit des Wissenschaftlichen
Dienstes, da dieser nur die Fragen der Abgeordneten beantworte und entsprechende Ausarbeitungen anfertige.
Diese Vermittlung von Information und Wissen sei nicht
selbst parlamentarische Arbeit. Sie bilde vielmehr (nur)
die Grundlage für die parlamentarische Arbeit der Abgeordneten.
Eine Verletzung des Schutzes geistigen Eigentums des
Bundestages liege im Falle des Informationszuganges
ebenfalls nicht vor. Sie sei nach Überzeugung der
Kammer sogar dann nicht zu befürchten, wenn man unterstellte, bei der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen
Dienstes handele es sich um ein „Werk“ im Sinne des Urheberrechts. Der Bundestag als Inhaber des Urheberrechts sei in seinem Erstveröffentlichungsrecht nicht betroffen, weil nur der Kläger Einblick erhalte, nicht jedoch
die Allgemeinheit. In seinem Verbreitungsrecht sei der
Bundestag nicht betroffen, weil der Kläger nicht die Absicht habe, die Ausarbeitung in den Verkehr zu bringen,
sondern sie lediglich lesen wolle.
Mit Blick auf die – bei Redaktionsschluss noch nicht
rechtskräftige – Entscheidung des VG Berlin würde ich es
begrüßen, wenn die Verwaltung des Deutschen Bundestages auch früher bereits abgelehnte Anträge auf Informationszugang zu Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen
Dienstes neu bescheiden und die erbetenen Informationen
herausgeben würde.
Dies beträfe etwa den folgenden Fall, in dem die Bundestagsverwaltung ebenfalls den Antrag auf Herausgabe eines Gutachtens ablehnte. Ein Bürger teilte mir mit, dass
er erfolglos Kenntnis von Gutachten beantragt habe, die
ein früherer Bundesminister der Verteidigung in seiner
Zeit als Abgeordneter in Auftrag gegeben hatte. Er wollte
wissen, wann dieser Abgeordnete dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages welche Gutachtenaufträge
erteilt habe.
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
3. November 2011 zur Anwendbarkeit des IFG auch auf
„Regierungstätigkeit“ (vgl. Nr. 3.2.1) und nach der jüngsten Entscheidung des VG Berlin vom 1. Dezember 2011
ist zu hoffen, dass sich diese transparenzfreundliche Tendenz in der Rechtsprechung weiter verfestigt. Gewinner
sind die Bürgerinnen und Bürger, deren Informationsund Teilhaberechte deutlich gestärkt worden sind.
5.1.2
Was macht eigentlich der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages?
Das IFG findet keine Anwendung, soweit der Wehrbeauftragte als Hilfsorgan des Bundestages verfassungsrechtli-