Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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mich das Ministerium im Frühjahr 2011 um Beratung und
Stellungnahme: Der Zugang zum allgemeinen (historischen und methodischen) Teil sollte gewährt werden, hinsichtlich der Bewertungen der 62 Lebensläufe und der
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse im besonderen Teil wollte das BMELV den Informationszugang dagegen zunächst vollständig ausschließen.
Ob ggf. zumindest in einem Einzelfall ein begrenzter Informationszugang gewährt werden kann, wurde im Weiteren zwischen dem Ministerium und mir erörtert.
Einer der 62 Mitarbeiter wurde 1984 zum Staatssekretär
ernannt und ist inzwischen verstorben. Mit Blick auf die
mehrjährige Zugehörigkeit zur Waffen-SS war der Gutachter in diesem Fall zu dem Ergebnis gekommen, ein ehrender Nachruf sei nicht angezeigt. Nach Mitteilung des
Ministeriums war die Vergangenheit des Betroffenen bereits 1984 bei seiner Ernennung zum Staatssekretär von
den Medien thematisiert worden.
Wegen der sehr herausgehobenen Dienststellung war dieser Beamte einem besonderen und – wie ich meine – auch
berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und
der Medien ausgesetzt. Aus der medialen Diskussion anlässlich seiner Ernennung war sein Werdegang schon
1984 einer weiten Öffentlichkeit bekannt. Archivrechtlich
wäre nach seinem Tod und nach Übernahme der Personalakte durch das Bundesarchiv deshalb eine Verkürzung
der archivrechtlichen Sperrfrist „auf Null“ möglich gewesen.
Diese Gesichtspunkte sind nach meiner Auffassung auch
bei der Abwägung über die Gewährung des Informationszuganges zu berücksichtigen, die erforderlich wird, soweit keine Einwilligung vorliegt. § 5 Absatz 1 Satz 1 IFG
erlaubt den Zugang zu personenbezogenen Daten dann
nur, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers
das schutzwürdige Interesse des Dritten am Informationszugang überwiegt. § 5 Absatz 2 IFG enthält eine vom Gesetzgeber vorweggenommene Abwägung bei Unterlagen, die mit dem Dienst- oder Amtsverhältnis oder einem
Mandat in Zusammenhang stehen, also insbesondere aus
Personalakten stammen. Hier überwiegt ausnahmslos das
Interesse des Beamten am Schutz der Vertraulichkeit seiner Personaldaten, soweit diese nicht – wie z. B. Titel,
Name, Berufs- und Funktionsbezeichnung – nach § 5 Absatz 4 IFG dem Informationszugang unterliegen.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes wären mithin Details
zum Werdegang, soweit sie der Personalakte entnommen
sind, vom Informationszugang ausgeschlossen.
Ich habe mich gegenüber dem Ministerium gleichwohl
dafür ausgesprochen, hier zugunsten des freien Informationszuganges zu entscheiden, also die Ausführungen des
Gutachtens zum Werdegang und zur Nachrufwürdigkeit
des ehemaligen Staatssekretärs in Kopie bereit zu stellen,
dabei allerdings Informationen zu Familienangehörigen
zu schwärzen.
Mit Blick auf die herausgehobene Funktion dieses Beamten, der zumindest „anlassbezogen“ bei seiner umstrittenen Ernennung zum Staatssekretär zur Person der Zeitge-
Drucksache 17/9100
schichte wurde, und die hieraus folgende Möglichkeit,
einen archivrechtlichen Informationszugang unmittelbar
nach seinem Ableben zu eröffnen, halte ich eine Durchbrechung der „ausnahmslos“ formulierten Vorgabe des
§ 5 Absatz 2 IFG und des dort implizit geregelten Abwägungsverbotes ausnahmsweise für zulässig.
Allerdings sollte dieser Fall auch im Rahmen der Evaluation des IFG zum Anlass genommen werden, über die
Balance zwischen Datenschutz einerseits und Informationsfreiheit andererseits und über das Verhältnis von Archivrecht, Informationsfreiheitsrecht und Schutz der Personaldaten nachzudenken, wobei auch zu berücksichtigen
ist, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mit dem Tod des Betroffenen erlischt, während das
Personalakten- und Archivrecht entsprechende Angaben
mit Personenbezug auch nach dem Tode schützt.
3.3.3
Wie offen sind die Jobcenter
der Optionskommunen?
Freier Informationszugang ist zurzeit nur bei den Jobcentern gewährleistet, für die das IFG des Bundes oder eines
Landes Anwendung findet. Mit Blick auf die sogenannten
„Optionskommunen“ in Bayern, Hessen, Niedersachsen
und Sachsen ist auch mittelfristig nicht absehbar, wann
die Gesetzeslücken endlich geschlossen werden.
Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der
Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010
(BGBl. I 2010 S. 1112) hat für die am 1. Januar 2011 neu
gebildeten gemeinsamen Einrichtungen neue Regelungen
auch für die Informationsfreiheit mit sich gebracht. Mit
diesem Gesetz wurde das SGB II geändert (vgl. 23. TB
zum Datenschutz Nr. 11.5.1). Leider gilt der Grundsatz
der Informationsfreiheit auch nach der Neuregelung (immer) noch nicht für alle beteiligten Einrichtungen.
Nach der Neuregelung sollen die Bundesanstalt für Arbeit
und die kommunalen Träger ihre jeweiligen Aufgaben
einheitlich und gemeinsam durch „gemeinsame Einrichtungen“ wahrnehmen. Nur für diese gemeinsamen Einrichtungen gilt das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (§ 50 Absatz 4 Satz 2 SGB II). Die Zuständigkeit für
die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über die Informationsfreiheit wurde mir übertragen (§ 50 Absatz 4
Satz 3 SGB II).
Anders ist die Rechtslage bei den Jobcentern der sog.
„Optionskommunen“, die diese Aufgabe alleine und in
ausschließlich eigener Verantwortung als „zugelassene
kommunale Träger“ i. S. d. §§ 6a bis 6c SGB II wahrnehmen. Die Jobcenter dieser Optionskommunen unterliegen
der Kontrolle der jeweiligen Landesbeauftragten für die
Informationsfreiheit.
Voraussetzung dafür ist aber, dass es in dem Bundesland
überhaupt ein Informationsfreiheitsgesetz gibt. In BadenWürttemberg, Bayern, Hessen, Sachsen und Niedersachsen ist dies bisher nicht der Fall (vgl. Nr. 3.4.2). Bürgerinnen und Bürger haben in diesen Ländern demnach keinen
Anspruch auf Informationszugang gegenüber den Jobcentern der Optionskommunen.
3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit