Drucksache 17/9100

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setzt worden war, um die Geschichte des Auswärtigen
Amtes und personelle Kontinuitäten während der Nazizeit und in den Gründungsjahren der Bundesrepublik zu
untersuchen. Viele weitere Bundesbehörden, wie beispielsweise der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz oder das Bundeskriminalamt,
sind diesem Beispiel gefolgt. Diese Untersuchungen sind
auf mehrere Jahre angelegt. Die Projekte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes waren Ende 2011 noch nicht abgeschlossen.
„Über die Tatsache, dass die personellen Kontinuitäten in
der Beamtenschaft generell relativ hoch waren, besteht in
der Forschung weitgehend Konsens. Detaillierte wissenschaftliche Untersuchungen zum Verwaltungspersonal in
der Frühphase der Bundesrepublik, auf die eine quantitative Aussage gestützt werden könnte, liegen allerdings
nur punktuell vor“ (so die Bundesregierung in ihrer umfangreichen Antwort vom 14. Dezember 2011 auf die
Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Bundestagsdrucksache 17/8134, S. 5). Rund 886 000 bzw. 979 500
(Stand 1950 bzw. 1955) Beschäftigten der Bundesverwaltung stehen allerdings lediglich 210 000 (noch) verfügbare Akten gegenüber (Bundestagsdrucksache 17/8134,
S. 7).
Diese Aufarbeitung ist gleichwohl ein unverzichtbares
zeitgeschichtliches und gesellschaftspolitisches Anliegen.
Sofern und soweit allerdings in diesem Zusammenhang
auch Lebens- und Berufswege nachgezeichnet und Personalaktendaten genutzt und offengelegt werden sollen,
stellen sich Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für
den Datenschutz und für die Informationsfreiheit.
Denn für entsprechende Forschungsaufträge ist es regelmäßig erforderlich, auch Daten aus Personalakten zu verwenden. Nur so werden sich die Forscher ein umfassendes Bild von den Mitarbeitern und deren eventuellen
Verstrickungen in NS-Unrecht machen können.
Zu prüfen ist einerseits, ob datenschutzrechtlich ein Zugriff auf Personalakten möglich ist, und andererseits, ob
und wenn ja inwieweit nach dem IFG ein Informationszugang z. B. der Medien zur Vorbereitung einer Veröffentlichung eröffnet ist.
Anlässlich eines Auswertungsvorhabens, das vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) in Auftrag gegeben worden ist,
war ich erstmals mit diesem Thema befasst (vgl.
Nr. 3.3.2.2).
Mit Blick auf diese – anders als bei den übrigen Projekten
der Ressorts und sonstigen Bundesbehörden nicht für einen zeithistorischen, sondern für einen personalwirtschaftlichen Zweck durchgeführte – Auswertung des
BMELV habe ich darauf hingewiesen, dass nicht erst der
Informationszugang „Dritter“ zu derartigen personenbezogenen Informationen, sondern (grundsätzlich) bereits
der erste (Forschungs-)Zugriff auf die Personalaktendaten
zur Auswertung von Lebensläufen im Regelfall gegen das
Personalaktengeheimnis (§ 107 Absatz 1 Bundesbeamtengesetz) verstoßen würde, das nach dem Bundesbeamtengesetz für Bundesbeamte wie analog auch für Tarifbeschäf-

3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tigte gilt. Dieses sieht einen Zugang zu Personalakten nur
unter sehr engen Voraussetzungen vor, zu denen Forschungszwecke explizit nicht gehören. Sofern kein archivrechtlicher Zugang möglich ist, sehe ich auch keine
Möglichkeit, Forschern Personalakten aufgrund anderer
Rechtsvorschriften zugänglich zu machen.
Ich halte dieses juristisch zwingende Ergebnis für unbefriedigend. Gerade bei der Aufarbeitung staatlichen Unrechts halte ich insbesondere die sehr weitgehende Sperre
der Personalaktendaten des Personenkreises für fragwürdig, der im NS-Staat an verantwortlicher Stelle tätig war.
Im Hinblick auf das gesellschaftliche Bedürfnis an einer
wissenschaftlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit
von Bundesbehörden habe ich gegenüber der Bundesregierung deshalb eine entsprechende Änderung des Bundesbeamtengesetzes angeregt. Diese könnte sich inhaltlich an § 32 Stasi-Unterlagen-Gesetz orientieren, der eine
ähnliche Interessenkollision angemessen regelt. Mit dieser modellhaften Vorschrift hat der Gesetzgeber eine ausgewogene Lösung des Konfliktes zwischen dem
Anspruch der Allgemeinheit an einer historischen Aufarbeitung und dem Recht des Einzelnen auf informationelle
Selbstbestimmung getroffen (vgl. Nr. 2.9).
3.3.2.2 Was dürfen Medien und Öffentlichkeit
über die Vergangenheit ehemaliger
Beamter wissen?
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz (BMELV) bat mich um Beratung
bei der Freigabe von Informationen über das „Vorleben“
ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während
des Dritten Reiches.
Das BMELV hatte 2005 ein Gutachten erstellen lassen,
das Kriterien entwickeln sollte, nach denen die Ehrwürdigkeit ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus zu bewerten sei. Damit sollte auch konkrete Entscheidungshilfe im
Einzelfall bei der Prüfung gegeben werden, ob ein ehrender Nachruf mit Blick auf eventuelle Verstrickungen in
nationalsozialistische Aktivitäten angemessen erscheine.
Das Gutachten wurde nicht von der Personalstelle des
Ministeriums, sondern von einem externen Wissenschaftler angefertigt.
Die Studie besteht aus einem allgemeinen Teil, in dem
über den historischen Kontext ohne Bezug zu den späteren Bediensteten des Ministeriums und des Geschäftsbereiches berichtet wird, und einem besonderen Teil, in dem
die Lebensläufe von 62 ehemaligen Beschäftigten im
Hinblick auf eine eventuelle Verstrickung in Aktivitäten
des Dritten Reichs untersucht und bewertet werden. Der
Gutachter hat hierfür Lebensläufe und Personalbögen aus
den Personalakten und ergänzend weiterführende Archivauskünfte verwendet. Die Namen der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter werden im Gutachten nicht genannt.
42 von ihnen waren im Frühjahr 2011 bereits verstorben.
Nachdem Journalisten Anträge auf Einsicht in das Gutachten gestellt hatten und auch aus dem parlamentarischen Raum Interesse hieran geäußert worden war, bat

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