Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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ich es als geboten an, Anträgen auf Informationszugang
nach dem IFG weitestmöglich nachzukommen (vgl.
Nr. 4.2). Trotzdem gibt es Fälle, in denen zwingende
Gründe einer Auskunftserteilung entgegenstehen.
Ein solcher Fall betraf meine datenschutzrechtliche Kontrollaufgabe bei einem Postunternehmen. Ich bin auch
nach der Privatisierung weiterhin in Teilen für die datenschutzrechtliche Kontrolle bei Post und Telekommunikationsunternehmen zuständig. Ich habe hier dieselben
Informations-, Zutritts- und Kontrollrechte wie bei den
Bundesbehörden. Datenschutzverstöße werden deshalb
häufig bei Gelegenheit eines Beratungs- und Kontrollbesuches erkannt. In anderen Fällen führen erst Hinweise
oder Beschwerden Dritter dazu, datenschutzrechtlich
fragliche Praktiken aufzudecken. So war es auch hier:
Im Sommer 2010 ging der Hinweis auf die Einrichtung
eines „Verteilzentrums“ in der Wohnung einer Postzustellerin ein, wo diese auch Post für Kollegen zuordne. Zeitweise hätten Briefsendungen in Kartons – für jeden zugänglich – im Hausflur gelegen.
Das für die Postdienstleistung verantwortliche Unternehmen teilte mir in seiner Stellungnahme mit, dass seine
Zusteller die ihnen zugeteilten Postsendungen üblicherweise in den dafür zur Verfügung gestellten Depots sortierten, räumte aber ein, der fraglichen Zustellerin gestattet zu haben, einen separierten Teil ihrer Wohnung als
Depot zu nutzen.
Nach § 39 Absatz 2 und 3 Postgesetz ist zur Wahrung des
Postgeheimnisses verpflichtet, wer geschäftsmäßig Postdienste erbringt oder – wie hier die Zustellerin – daran
mitwirkt. Dabei ist es den nach Absatz 2 Verpflichteten
untersagt, sich oder anderen über das für die Erbringung
der Postdienste erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom
Inhalt von Postsendungen oder den näheren Umständen
des Postverkehrs zu verschaffen. Bereits die aus der Absender- und Adressatenangabe erkennbare Tatsache, dass
Herr A Frau B einen Brief geschrieben hat, ist ein in diesem Sinne gesetzlich geschützter Umstand des Postverkehrs, der Dritten, die nicht in der „Zustellkette“ mitwirken, nicht zur Kenntnis gegeben werden darf. Dass der
Schutz des Postgeheimnisses bei einer Lagerung und Sortierung von Postsendungen in der Familienwohnung nicht
in gleich zuverlässiger Weise sichergestellt und kontrolliert werden kann wie in einem „offiziellen“ Postdepot,
liegt auf der Hand.
Der verantwortliche Postdienstleister wurde aufgefordert,
der Zustellerin umgehend geeignete Räume zur Verfügung zu stellen. Nach Mitteilung ihres Anwalts kündigte
die Zustellerin das Arbeitsverhältnis, da sie nach der anonymen Anzeige für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit
keine Perspektive mehr sah.
Die frühere Zustellerin stellte bei mir einen Antrag auf Informationszugang, um den Namen des Hinweisgebers/der
Hinweisgeberin in Erfahrung zu bringen. Diesen Antrag
musste ich nach § 3 Nummer 7 IFG ablehnen, da es sich
bei der Eingabe, die zur Aufdeckung des Datenschutzver-

Drucksache 17/9100

stoßes geführt hatte, um eine vertrauliche Information
handelte, an deren Geheimhaltung der Hinweisgeber weiterhin interessiert war. Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Zustellerin Klage beim Verwaltungsgericht (VG)
Köln, nahm diese jedoch nach Ablehnung der Prozesskostenhilfe zurück.
Das VG Köln hat die Gewährung der Prozesskostenhilfe
nach der – in diesem Verfahren üblichen – summarischen
Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt, da es
ganz überwiegend wahrscheinlich erscheine, dass dem
Anspruch auf Informationszugang nach § 1 Absatz 1 IFG
die Vorschriften des § 3 Nummer 7 und/oder des § 5 Absatz 1 Satz 1 IFG entgegenstünden (Beschluss vom
12. Oktober 2011 – 13 K 3474/11 –). Mit Blick auf die
– sowohl durch § 5 Absatz 1 Satz 1 IFG als auch durch
die spezielle Regelung zum (Identitäts-)Schutz von Hinweisgebern in § 3 Nummer 7 IFG – gebotene Interessenabwägung sei neben dem grundrechtlich abgesicherten
Interesse des Betroffenen (hier des Hinweisgebers/der
Hinweisgeberin) auch das öffentliche Interesse an einer
Sicherstellung der behördlichen Aufgabenwahrnehmung
von Bedeutung.
K a s t e n a z u N r. 3 . 2 . 6
Auszug aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts
Köln vom 12. Oktober 2011 – 13 K 3474/11 –
Die datenschutzrechtliche Kontrollaufgabe des BfDI
(auch) in den Bereichen Post und Telekommunikation
dient, wie das VG Köln betont, „dem Schutz grundrechtlich verankerter, mithin gewichtiger Rechtsgüter“
(VG Köln, a. a. O. S. 4). Das VG Köln weist ferner auf
den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom
3. August 2011 (– 20 F 23/10 – Rn. 10) hin, nach dem
die zuständige Behörde „aus Gründen der effektiven
Aufgabenwahrnehmung verpflichtet“ sei, „allen vom
Ansatz her sachlich begründeten Hinweisen nachzugehen (… Sie) muss daher die Vertraulichkeit von Angaben Dritter auch dann wahren dürfen, wenn sich die
Hinweise nach Abschluss der Sachverhaltsermittlungen
als unzutreffend erweisen sollten. Der Vertraulichkeitsschutz entfällt nur, wenn hinreichend aussagekräftige
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Informant wider besseres Wissen oder leichtfertig falsche Angaben
gemacht hat.“
Anhaltspunkte für eine böswillige, völlig haltlose Denunziation oder ein Handeln des Hinweisgebers „ins Blaue
hinein“ hat auch das VG Köln nicht gesehen.
Nachdem das Postdienstleistungsunternehmen den Sachverhalt hinsichtlich der Aufbewahrung und Sortierung
von Postsendungen in der Wohnung bestätigt hatte, war
dieser „Sachverhaltskern“ gesichert und eine Offenlegung des Hinweisgebers gegen dessen Willen nicht geboten.

3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

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