Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
keine unüberwindbare zeitliche Grenze für die Anwendbarkeit von § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG dar. Die hierdurch geschützten innerbehördlichen Beratungen, die auf
eine offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt seien, könnten wegen des Wissens um
eine – auch nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens erfolgende – Offenlegung etwa der einzelnen Beiträge und
Meinungsbekundungen im Beratungsprozess beeinträchtigt werden. Die Frage nach einer Fortdauer des Vertraulichkeitsschutzes beantworte sich dabei nach den konkreten Verhältnissen des jeweiligen Sachbereichs.
Dass die insofern erforderliche Einzelfallbetrachtung je
nach Art des betroffenen Gremiums durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, zeigt bereits der
Beschluss des BVerwG vom 23. November 2011
– 7 C 2.11 – zum Zugang zu Unterlagen der sog.
BRAGO-Expertenkommission (vgl. auch Nr. 5.12.2).
Hier stellt das BVerwG ausdrücklich fest, dass die Begründung für den Schutz der Beratungen der Deutschen
Lebensmittelbuch-Kommission „auf die Arbeit einer adhoc-Kommission, die ihre Tätigkeit mit der Vorlage eines
– allgemein zugänglichen – Gesetzentwurfs vor mittlerweile zehn Jahren endgültig beendet hat, wohl nicht übertragbar“ seien.
Ob der Ausnahmetatbestand des § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG auch bei künftigen Beratungen vorliegt, kann
damit nur bezogen auf die jeweilige Konstellation beantwortet werden. Dabei sind an die erforderliche Prognose
einer Beeinträchtigung künftiger Beratungen aus meiner
Sicht hohe Anforderungen zu stellen. Im Einzelfall muss
die konkrete Gefahr dargelegt werden, dass die (künftige)
Arbeitsfähigkeit oder die Aufgabenerfüllung des betreffenden Gremiums durch die Offenlegung des Beratungsinhalts in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde. Außerdem ist die Geheimhaltung stets auf die unbedingt
schutzwürdigen Passagen der begehrten Unterlagen zu
beschränken; wenn möglich, ist zumindest ein teilweiser
Informationszugang zu gewähren.
3.2.4
Drucksache 17/9100
– 25 –
Auch der Bundesrechnungshof hat für
Transparenz zu sorgen!
Der Bundesrechnungshof (BRH) ist weder Organ der
Rechtsprechung noch der Gesetzgebung, sondern nimmt
als Behörde i. S. d. § 1 Absatz 1 Satz 1 IFG Verwaltungsaufgaben wahr. Das IFG gilt deshalb auch für ihn, soweit
nicht Ausnahmetatbestände den Informationszugang im
Einzelfall ausschließen.
Im Jahr 2008 hatte ein Antragsteller beim BRH erfolglos
die Übersendung von Kopien der Prüfungsniederschriften
und -vermerke sowie der Übersendungsschreiben (inklusive etwaiger Beanstandungen) aus der jeweils letzten
Prüfung mehrerer Parteistiftungen und zweier konfessioneller Zentralstellen für Entwicklung beantragt, die vom
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung Zuwendungen für die Förderung entwicklungspolitischer Vorhaben erhalten hatten.
Der BRH lehnte den Antrag ab, da er bei Bekanntwerden
der Prüfergebnisse nachteilige Auswirkungen auf die
externe Finanzkontrolle befürchtete (§ 3 Nummer 1
Buchstabe e IFG). Die vertrauliche Behandlung der Informationen durch den BRH sei für die Kooperationsbereitschaft der von der Prüfung betroffenen Stellen und damit
für eine auch künftig effektive externe Finanzkontrolle
von essenzieller Bedeutung.
K a s t e n z u N r. 3 . 2 . 4
§ 3 Nummer 1 Buchstabe e IFG
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
1. wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf
…
e) Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle,
…
Der Petent wandte sich mit der Bitte um Unterstützung an
mich und erhob parallel Klage beim Verwaltungsgericht
(VG) Köln. Der BRH bestritt bereits die Anwendbarkeit
des IFG und nahm zusätzlich auch den Ausschlusstatbestand des § 3 Nummer 4 IFG in Anspruch. Das VG Köln
folgte der Argumentation des BRH und wies die Klage
ab.
Der Petent legte gegen diese Entscheidung Berufung
beim Oberverwaltungsgericht für das Land NordrheinWestfalen (OVG NRW) in Münster ein. Der zuständige
Senat bat mich um Stellungnahme, ob das Informationsfreiheitsgesetz auf die Tätigkeit des BRH anwendbar sei,
wenn dieser – wie im vorliegenden Fall – bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung prüfe.
Gegenüber dem Gericht habe ich meine bekannte Position (vgl. 2. TB zur Informationsfreiheit Nr. 4.5.2) erläutert: Danach unterfallen amtliche Informationen, die aus
der Prüftätigkeit des BRH resultieren, grundsätzlich dem
Anwendungsbereich des IFG, da der BRH weder eine
– dem Anwendungsbereich des IFG entzogene – richterliche noch eine – ebenfalls vom IFG nicht erfasste – legislative Funktion wahrnimmt. Die richterähnliche Unabhängigkeit der Mitglieder des BRH begründet keine
Sonderstellung und rechtfertigt keinen „grundsätzlichen“
und „allgemeinen“ Ausschluss des BRH aus dem Anwendungsbereich des IFG. Während eines laufenden Prüfverfahrens dürfte allerdings ein (weitgehender) Ausschluss
des Informationszuganges wegen der zu erwartenden
nachteiligen Auswirkungen auf die (noch laufende)
Finanzkontrolle greifen, die unabhängig, sachlich, objektiv und ungestört erfolgen soll.
Nach Abschluss eines Prüfverfahrens ist eine solche Beeinträchtigung dagegen nicht ohne weiteres gegeben. Sie
ist deshalb im Einzelfall konkret, substantiiert und nachvollziehbar darzulegen. Der Maßstab für nachteilige Auswirkungen des Informationszuganges liegt nach Abschluss der Prüfung deutlich höher als bei laufender
Prüfung. Mit dem bloßen Hinweis auf eine schwindende
3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit