Drucksache 17/9100
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Gegen eine Ausklammerung normsetzender ministerieller
Tätigkeit spricht im Übrigen auch der Vergleich von Umweltinformationsgesetz (UIG) und IFG. Das IFG verzichtet auf eine Ausnahmeregelung für die Informationspflicht von Behörden bei rechtsetzender Tätigkeit, wie sie
in § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a UIG für den Erlass von Rechtsverordnungen eingeräumt wird.
3.2.3
Vertraulichkeit von Gremienberatungen
Vertraulichkeitsregelungen in bloßen (untergesetzlichen)
Geschäftsordnungen können den gesetzlichen Anspruch
auf Informationszugang nicht ausschließen. Eine etwaige
Schutzbedürftigkeit von Gremienberatungen ist im jeweiligen Einzelfall zu bewerten.
In meinem 2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
(2. TB Nr. 2.1.7) hatte ich darüber berichtet, dass immer
wieder Anträge auf Informationszugang abgelehnt werden, weil mit anderen Stellen Vertraulichkeit vereinbart
worden sei. Ich hatte in diesem Zusammenhang darauf
hingewiesen, dass der gesetzliche Anspruch auf Informationszugang nicht durch Vertraulichkeitsvereinbarungen
– sei es mit (privaten) Dritten oder auch innerbehördlich –
unterlaufen werden kann. Die vom Gesetzgeber vorgesehenen Ausnahmetatbestände sind insofern abschließend.
In diesem Berichtszeitraum rückte die Fragestellung in
den Fokus, ob durch Vertraulichkeitsregelungen in Geschäftsordnungen die Arbeit verwaltungsinterner Gremien vom Informationszugang ausgenommen werden
kann.
Mich hat diese Frage u. a. im Rahmen einer Beschwerde
gegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung beschäftigt, in der es um die Geheimhaltung von Protokollen der
nach § 87 SGB V eingerichteten Bewertungsausschüsse
ging (vgl. näher Nr. 5.10.1). Die Rechtsprechung hatte einen Parallelfall zu entscheiden, der die Sitzungsprotokolle der beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gebildeten Deutschen
Lebensmittelbuch-Kommission nach § 16 Lebensmittelund Futtermittelgesetzbuch betraf (Verwaltungsgericht
Köln, Urteil vom 25. Februar 2010 – 13 K 119/08VG –;
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 2. November 2010 – 8 A 475/10 –; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Juli 2011 – 7 B 14.11 –).
Sowohl die Geschäftsordnung der Bewertungsausschüsse
als auch die Geschäftsordnung der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission bestimmen, dass die Sitzungen des
jeweiligen Gremiums nichtöffentlich und die Teilnehmer
zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Die betreffenden
Stellen sahen in diesen Geschäftsordnungsregelungen jeweils ein besonderes Amtsgeheimnis im Sinne des § 3
Nummer 4 IFG (vgl. Kasten), das dem Anspruch auf Zugang zu den Sitzungsprotokollen entgegenstehe.
Diese Auffassung teile ich nicht. Vertraulichkeitsregelungen auf der Ebene einer bloßen Geschäftsordnung können
den gesetzlichen Anspruch auf freien Informationszugang
nach dem IFG nicht ausschließen, soweit nicht ausnahmsweise eine ausdrückliche formal-gesetzliche Ermächtigung zur Schaffung auch von Geheimhaltungsregelungen
3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
existiert. Anderenfalls könnten zahlreiche öffentliche
Stellen des Bundes die in ihrem Bereich anfallenden Informationen durch entsprechende Geschäftsordnungen
pauschal dem Informationszugang entziehen. Sie könnten
damit für sich Bereichsausnahmen schaffen, was der gesetzgeberischen Grundentscheidung des IFG widerspräche. Geschäftsordnungen haben weder Gesetzes- noch
Verordnungscharakter. Sie sind vom jeweiligen Gremium
konsensual beschlossenes Binnenrecht, dem keine Außenwirkung gegenüber informationssuchenden Dritten
zukommt.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass Informationen über Gremienberatungen generell öffentlich zugänglich sein müssten. Wenn und solange im konkreten Einzelfall die
notwendige Vertraulichkeit der Beratungen durch die Offenlegung von Informationen beeinträchtigt würde, enthält § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG (vgl. Kasten) hierfür
einen passenden und hinreichenden Ausnahmetatbestand.
Die Rechtsprechung hat die Frage, ob Geschäftsordnungsregelungen ein besonderes Amtsgeheimnis im
Sinne des § 3 Nummer 4 IFG begründen können, in den
höheren Instanzen offen gelassen, nachdem das Verwaltungsgericht Köln (a. a. O., Rn. 47 ff.) sie noch – aus meiner Sicht zu Unrecht – bejaht hatte. Stattdessen haben sowohl das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
(a. a. O., Rn. 82 ff.) als auch das Bundesverwaltungsgericht (a. a. O., Rn. 4 ff.) die Ablehnung des Informationszugangs primär an § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG
gemessen (und hinsichtlich der begehrten Sitzungsprotokolle der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission im
Ergebnis für rechtmäßig gehalten).
K a s t e n z u N r. 3 . 2 . 3
§ 3 Nummer 3 und 4 IFG
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
…
3. wenn und solange
a) die notwendige Vertraulichkeit internationaler
Verhandlungen oder
b) die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden,
4. wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift
oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift
zum materiellen und organisatorischen Schutz von
Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder
Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt,
…
Im Rahmen des § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG stellt
sich häufig die Frage, ob und inwieweit auch künftige Beratungen geschützt werden können. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat hierzu im o. g. Beschluss festgestellt, der Abschluss des laufenden Verfahrens stelle