Drucksache 17/9100

– 20 –

mir gewünscht, dass das Gesetzgebungsverfahren auch
dazu genutzt worden wäre, den Katalog der Ablehnungsgründe generell zu überarbeiten und auf die wesentlichen,
unbedingt erforderlichen Ausnahmen zu reduzieren. Die
neue Kostenregelung enthält Licht und Schatten: Ich begrüße das Konzept, „normale“ Anfragen vollständig gebührenfrei zu stellen und nur für besonders aufwändige
Anfragen eine Kostenpflicht vorzusehen. Die Grenze, ab
welchem Verwaltungsaufwand diese Kostenpflicht ausgelöst wird, liegt mit 250 Euro aus meiner Sicht jedoch zu
niedrig. Kritisch sehe ich außerdem, dass künftig auch für
Informationen über Rechtsverstöße – wenn auch erst ab
einem Verwaltungsaufwand von über 1 000 Euro – Gebühren erhoben werden, die sogar über den Gebührenrahmen des IFG hinausgehen.
Zu meinem großen Bedauern verzichtet die Novelle auf
die Erstreckung der Zuständigkeit des Informationsfreiheitsbeauftragten auf den Bereich des VIG, obwohl der
erste Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz dies
noch vorgesehen hatte. Die Ombudsfunktion, die mir gemäß § 12 IFG für den Bereich des IFG zugewiesen ist,
sollte mir ursprünglich auch für den Bereich des VIG
– und gemäß einem Vorschlag des Bundesumweltministeriums auch für den Bereich des UIG – übertragen werden. Die entsprechenden Entwurfsregelungen wurden allerdings im Zuge der Ressortabstimmung wieder
gestrichen, nachdem ich darauf hingewiesen hatte, dass
diese sehr begrüßenswerte Aufgabenerweiterung einen
gewissen Personalmehrbedarf für meine Dienststelle auslösen würde. Im parlamentarischen Verfahren habe ich
mich an die zuständigen Bundestagsausschüsse gewandt
und gebeten, für die Wiederaufnahme der Aufgabenübertragung einzutreten. Dabei habe ich die Bereitschaft erklärt, die Aufgabe für den Bereich des VIG und des UIG
zunächst auch ohne zusätzliche Personalmittel zu übernehmen, sofern der tatsächliche Aufwand nach einer bestimmten Frist überprüft wird. Ein entsprechender Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für
den Bereich des VIG (Bundestagsdrucksache 17/8021)
sowie Entschließungsanträge der Fraktion der SPD (Bundestagsdrucksache 17/8022) bzw. der Fraktion DIE
LINKE (Bundestagsdrucksache 17/8023), die sich beide
ebenfalls für die Einrichtung eines Ombudsmanns aussprachen, fanden leider keine Mehrheit.
Transparenz behördlichen Handelns ist nur dann angemessen zu gewährleisten, wenn nicht nur subjektive
Rechte auf Informationszugang geschaffen werden, sondern die Bürgerinnen und Bürger bei der Wahrnehmung
dieser Rechte durch eine unabhängige Stelle effektiv unterstützt werden, die erforderlichenfalls auch als Mittler
und Streitschlichter zur Verfügung steht.
2.9

20 Jahre Stasi-Unterlagen-Gesetz

Das Stasi-Unterlagen-Gesetz schützt nicht nur die Opfer,
sondern schafft auch Transparenz.
Vor nunmehr 20 Jahren, am 29. Dezember 1991, trat das
Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes
der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
(Stasi-Unterlagen-Gesetz – StUG) in Kraft. Es regelt den

3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zugang zu den – beim Bundesbeauftragten für die StasiUnterlagen (BStU) verwahrten und verwalteten – StasiUnterlagen und ihre Verwendung. Die entsprechenden
Archivmaterialien enthalten typischerweise eine Vielzahl
personenbezogener Informationen, die durch Bespitzelung in rechtsstaatswidriger Weise erhoben wurden und
daher datenschutzrechtlich besonders sensibel sind. Das
StUG ist deshalb schwerpunktmäßig ein Opferschutzgesetz mit besonderen datenschutzrechtlichen Regelungen.
Zugleich öffnet es aber auch die Akten und ist damit eines
der ersten deutschen Transparenzgesetze. Es ermöglicht
nicht nur dem Einzelnen die Einsicht in „seine“ StasiAkte, sondern gewährt auch Zugangsrechte für Forschung und Medien zum Zwecke der politischen und
historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes. Auch wenn das StUG nicht als (bereichsspezifischer) Vorläufer des IFG angesehen werden kann,
da es keinen Zugangsanspruch für jedermann begründet,
kann es doch als Pioniergesetz dafür gelten, wie der Konflikt zwischen Aufarbeitungs- und Transparenzinteressen
der Allgemeinheit und dem Schutz von Persönlichkeitsrechten Einzelner gelöst werden kann.
Der BStU besitzt einen Archivbestand von mehr als
111 Kilometern Aktenmaterial, mehr als 1,4 Millionen
Fotos sowie zahlreichen Ton- und Filmaufzeichnungen
des ehemaligen DDR-Geheimdienstes. Hinzu kommen
mehr als 15 500 Säcke mit zerrissenen Unterlagen, die
von der Stasi zur Vernichtung vorgesehen waren. Für die
Rekonstruktion letzterer entwickelt das Fraunhofer-Institut im Rahmen eines Pilotprojektes ein elektronisches
Verfahren, mit dem die Aktenschnipsel virtuell zusammengesetzt und die Unterlagen somit wieder lesbar gemacht werden sollen. In der Berliner Zentrale des BStU
und den zurzeit noch zwölf Außenstellen sind bis
Ende 2011 insgesamt über 2,8 Millionen Anträge von
Bürgerinnen und Bürgern auf Einsicht in die eigenen
Stasi-Akten gestellt worden, davon noch über 80 000 Anträge im Jahr 2011. Das Interesse ist also ungebrochen.
Die Behörde hat in rund 1,75 Millionen Fällen an der
Überprüfung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes
mitgewirkt und bislang über 26 000 Forschungsvorhaben
externer Forscher und Anträge der Medien unterstützt.
Zudem trägt der BStU durch eigene Forschungsarbeiten
und Veröffentlichungen zur Aufarbeitung der Tätigkeit
des Staatssicherheitsdienstes bei.
Dieser aufwändige und rechtsstaatliche Ansatz für die
Aufarbeitung einer totalitär und repressiv geprägten Vergangenheit und für eine grundrechts- und freiheitsorientierte politische Bildung durch Transparenz wird inzwischen in vielen postdiktatorischen Gesellschaften der
Welt als Modell gesehen.
Für den Zugang von Forschern und Medien zu den StasiUnterlagen enthält das StUG ein ausdifferenziertes Regelungssystem, das insbesondere danach unterscheidet, zu
welcher Personengruppe die begehrten Akten Informationen enthalten. Während der Zugang zu Informationen
über Mitarbeiter oder Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes lediglich einem Abwägungsvorbehalt unterliegt,
sind Informationen zu Stasi-Opfern grundsätzlich nur mit
deren Einwilligung einsehbar. Sind letztere zugleich Personen der Zeitgeschichte, politische Funktions- oder

Select target paragraph3