Drucksache 14/5555

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Einklang mit einer effektiven Strafverfolgung zu bringen
ist.
Die Aufklärung schwerer Straftaten ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ein wesentlicher Auftrag des rechtsstaatlichen Gemeinwesens. Zeugnisverweigerungsrechte und Beschlagnahmeverbote sind
dabei Ausnahmen von der Pflicht zur umfassenden Aufklärung der materiellen Wahrheit und bergen demzufolge
das Risiko in sich, dass die Gerichte ihre Entscheidungen
auf nicht vollständiger Tatsachengrundlage treffen.
Darüber hinaus geht es um die Freiheit des Betroffenen,
ein Vertrauensverhältnis unter Offenbarung seiner personenbezogenen Daten in Anspruch nehmen zu können,
ohne befürchten zu müssen, dass die Person, der er sich
anvertraut, einem prozessualen Zwang zur Preisgabe seiner personenbezogenen Daten unterliegt. Mit Blick auf
das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Medienmitarbeiters geht es um dessen Dispositionsrecht zur Bewältigung
einer Konfliktsituation, nämlich um die Gewährleistung
der individuellen Entscheidungsfreiheit im Einzelfall
zwischen Preisgabe und Zurückhaltung der Information
anstelle der Durchsetzung des staatlichen Anspruches.
In diesem Spannungsverhältnis hat der Gesetzgeber mit
der bisherigen Regelung über das Zeugnisverweigerungsrecht in § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO die aus der Sicht des Datenschutzes für den notwendigen Interessenausgleich
grundlegende Entscheidung getroffen. Journalistisches
Wissen speichert sich aber nicht nur als Gedächtnisleistung in den Köpfen von Journalisten, sondern auch
ganz herkömmlich in Schränken und Redaktionsarchiven.
Eine zentrale datenschutzrechtliche Frage ist deshalb, ob
die Regelungen über Zeugnisverweigerungsrechte einerseits und Beschlagnahmeverbote und Zugriffsrechte andererseits in ihrem Verhältnis zueinander stimmig sind,
mit anderen Worten, ob diese Eingriffsrechte der grundlegenden Wertentscheidung des Zeugnisverweigerungsrechtes folgen.
Vor diesem Hintergrund ist zunächst die im Gesetzentwurf vorgesehene Ausdehnung des Zeugnisverweigerungsrechts auf selbsterarbeitete Materialien sowie über
berufsbezogene Wahrnehmungen zu bewerten. Dadurch
wird der eigentliche Schutzzweck der Zeugnisverweigerungsrechte, also der Schutz des Vertrauensverhältnisses,
zwar nicht unmittelbar tangiert, weil es keinen zu schützenden Informanten gibt, aber es wird erstmals ein Sonderrecht für einen Berufsstand geschaffen, dessen ungehinderte Betätigung für die freie politische Willensbildung
und damit für einen demokratischen Staat insgesamt herausragende Bedeutung hat. In der Praxis der Medienarbeit
ist es aber nicht möglich, immer eine deutliche Trennung
vorzunehmen zwischen solchen Informationen, die von
Informanten stammen, und solchen, die aufgrund eigener
Recherche ermittelt worden sind. Diese Gemengelage
kann dazu führen, dass durch eine Zeugenaussage bzw.
eine Beschlagnahme von selbsterarbeitetem Material auch
Informationen über den Informanten und dessen Angaben
preisgegeben werden und damit doch der Schutzzweck der
Vorschriften verletzt wird. Insofern begrüße ich die vorgesehene Erweiterung, auch wenn sie einen gewissen Bruch

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

im bisherigen System der Zeugnisverweigerungsrechte
darstellt.
Dieses Recht zur Zeugnisverweigerung entfällt dem Entwurf zufolge jedoch dann, wenn die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll, und zwar unabhängig davon, ob gegen eine bestimmte Person ein
dringender Tatverdacht besteht. Diese Abwägung halte
ich unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten für unbedenklich. Ob sie rechtspolitisch sinnvoll ist, weil dadurch der Aushebelung des Zeugnisverweigerungsrechts
Tür und Tor geöffnet wird, ist aber eine andere Frage. Ich
verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass in Ermittlungsverfahren oft am Anfang schwerwiegende Vorwürfe erhoben werden, die sich erst im Zuge der weiteren
Untersuchungen als deutlich geringfügiger erweisen
(z. B. Anfangsverdacht ist Mordversuch, Anklage wird
wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt erhoben).
Bedenken habe ich aber gegen die vorgesehene Übertragung dieser Regelungen auf das Beschlagnahmeverbot.
Gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO führen nämlich der Teilnahmeverdacht und der Verdacht der Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei zur Aufhebung des Beschlagnahmeverbotes. Dabei wird in der Praxis nicht vorausgesetzt, dass gegen den Zeugnisverweigerungsberechtigten schon ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist
oder dass seiner Einleitung keine rechtlichen Hindernisse
entgegenstehen. Auch ist nicht erforderlich, dass es sich
um einen dringenden (wie z. B. beim Erlass eines Haftbefehls) oder um einen hinreichenden Tatverdacht (wie z. B.
bei der Eröffnung des Hauptverfahrens) handelt. Ich
werde deshalb darauf hinwirken, die Schwelle des Teilnahmeverdachtes auf „dringenden Tatverdacht“ heraufzusetzen, da es hier – anders als in den Fällen des Zeugnisverweigerungsrechts – um konkrete Verfahren geht, in
denen der Journalist selbst einer Straftat verdächtig ist.
Nur damit lässt sich eine Umgehung des Beschlagnahmeverbotes verhindern.

6.8

Elektronische Fußfessel – Fluch
oder Segen für Gefangene?

Im Berichtszeitraum wurde in der Öffentlichkeit oft über
die Einführung der „Elektronischen Fußfessel“, genau genommen des sog. elektronisch überwachten Hausarrestes
berichtet. Dabei wurden unterschiedliche Modelle und
Varianten dargestellt sowie verschiedene Positionen vertreten. Die Gegner kritisierten insbesondere, dass der
elektronisch überwachte Hausarrest den Menschen zum
Objekt des technischen Überwachungsapparates degradiere.
Im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren befindet
sich bislang nur ein Entwurf des Bundesrates (BT-Drs.
14/1519), der durch eine Änderung des Strafvollzugsgesetzes den Ländern befristet die Möglichkeit einräumt,
Regelungen für die Einführung und Ausgestaltung eines
elektronisch überwachten Hausarrestes zu schaffen. Damit soll erprobt werden, ob der elektronisch überwachte

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