Drucksache 14/5555

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öffentlich nach einer Person als – möglichem – Straftäter
gesucht wird, die sich später als unschuldig erweist. Die
Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines so Gesuchten
ist nicht wieder rückgängig zu machen. Die Ausstrahlung
eines Fahndungsaufrufes u. a. im Fernsehen nach einem
potentiellen Straftäter erzeugt eine dauerhafte Öffentlichkeitswirkung. Insofern sind die Strafverfolgungsbehörden
aufgefordert, gerade von der Öffentlichkeitsfahndung nur
restriktiven Gebrauch zu machen.
Kritisch sehe ich auch die Vorschriften, die sich mit
der Zulässigkeit der Verwendung von präventiv-polizeilich erhobenen Daten für den Strafprozess befassen. Der
Grundgedanke, die Verwendung von solchen Daten
grundsätzlich auch für die Zwecke der Strafprozessordnung zu erlauben, wird von mir im Interesse einer funktionierenden Strafverfolgung selbstverständlich akzeptiert. Jedoch wird durch die vom Vermittlungsausschuss
vorgenommene Streichung eines Absatzes auch die
Zweckbindung von präventiv-polizeilichen Daten aufgehoben, die durch besonders eingriffsintensive Maßnahmen gewonnen wurden. Dies bedeutet, dass z. B. Daten,
die in einem Verfahren zurecht durch einen Großen
Lauschangriff oder den Einsatz verdeckter Ermittler gewonnen wurden, nun auch in einem Verfahren benutzt
werden können, in dem die Voraussetzungen für einen
solchen Eingriff nicht vorliegen. Oder anhand eines Beispieles ausgedrückt: Daten, die bei einer akustischen
Wohnraumüberwachung gewonnen wurden, dürfen jetzt
auch für die Aufklärung eines Fahrraddiebstahls verwendet werden, obwohl für die Aufklärung eines Fahrraddiebstahls eine akustische Wohnraumüberwachung nicht
hätte angeordnet werden dürfen. Verwendungsbeschränkungen für derart gewonnene Daten bestehen im Wesentlichen nur noch hinsichtlich solcher Informationen, die
bei dem Einsatz von technischen Mitteln in Wohnungen
anfallen, wenn dieser im Rahmen der Eigensicherung der
handelnden Polizeibeamten erforderlich war.
Auch der umgekehrte Fall, d. h. die Verwendung von
strafprozessual erhobenen Daten für präventiv-polizeiliche Zwecke, wird gesetzlich geregelt. Danach dürfen den
Polizeibehörden nach Maßgabe der Polizeigesetze personenbezogene Informationen aus Strafverfahren zu den
dort genannten Zwecken übermittelt werden. Eine Einschränkung ist nur dann vorgesehen, wenn die Polizei
ausschließlich zum Schutz privater Rechte tätig wird.
Damit hat der Vermittlungsausschuss die Befugnisse der
Polizei erweitert. Der Gesetzentwurf des Deutschen Bundestages hatte eine Datenübermittlung nur zur Gefahrenabwehr zugelassen. Die von mir stets geforderte Zweckbindung der strafprozessual erhobenen Daten ist somit
ausgehöhlt worden.
Das StVÄG 1999 enthält umfassende Regelungen über
die Erteilung von Auskünften und Akteneinsicht aus
Strafverfahren, die bislang nur in Bezug auf Verfahrensbeteiligte vorhanden waren. In einem umfangreichen Katalog ist die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten an öffentliche Stellen festgelegt, wohingegen
das Auskunftsrecht für Privatpersonen lediglich an das
Vorliegen eines berechtigten Interesses geknüpft ist. Be-

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dauerlicherweise hat der Vermittlungsausschuss nicht die
ursprünglich engere Formulierung übernommen, wonach
ein rechtliches Interesse erforderlich gewesen wäre. Abschließend regelt das Gesetz auch die Akteneinsicht und
die Erteilung von Auskünften an Forschungseinrichtungen.
Schließlich finden sich noch umfangreiche Vorschriften
für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten in Dateien und deren Nutzung. Diese Regelungen über Inhalt,
Ausmaß und Umfang von Dateien und Informationssystemen mit personenbezogenen Daten erlauben die Einrichtung von Datensammlungen mit weitgehenden Zugriffsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden. So
können Dateien für Zwecke des laufenden Strafverfahrens, künftiger Strafverfahren sowie der Vorgangsverwaltung angelegt werden; Daten können auch in gemeinsamen Dateien der entsprechenden Stellen gespeichert
werden.
Zusammenfassend möchte ich jedoch festhalten, dass die
Genugtuung über die Schaffung von Vorschriften zur
Wahrung des Persönlichkeitsrechts im Bereich der Justiz
überwiegt. Jetzt gilt es zu beobachten, wie sie sich in der
Praxis bewähren.

6.3

Weitere Entwicklung der
Genomanalyse im Strafverfahren
– Kann die Einwilligung der
Betroffenen die Prognose
des Richters ersetzen? –

In meinem letzten Tätigkeitsbericht habe ich ausführlich
über die neuen gesetzlichen Vorschriften für den Einsatz
gentechnischer Methoden im Strafverfahren berichtet
(17. TB Nr. 6.3). In § 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz
war u. a. geregelt worden, dass molekulargenetische Untersuchungen zum Zwecke der Identitätsfeststellung in
künftigen Strafverfahren auch bei bereits rechtskräftig
Verurteilten durchgeführt werden dürfen, wenn die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch
nicht getilgt ist. Es traten aber alsbald Unsicherheiten darüber auf, ob nach dieser Rechtsgrundlage Auskünfte aus
dem Bundeszentralregister auch dann zulässig sind, wenn
die entsprechenden Anfragen nicht auf der Angabe von
konkreten Personendaten der Betroffenen beruhen, sondern eine Auswertung des Datenbestandes im Bundeszentralregister erfordern.
Den im Rahmen der parlamentarischen Beratungen daraufhin vorgelegten Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen habe ich nachdrücklich unterstützt, weil ich eine
eindeutige Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des
Bundeszentralregisters zur Mitwirkung bei der Übermittlung der Eintragung einschlägiger Personen zu schaffen,
für erforderlich gehalten habe. Das Bundeszentralregistergesetz geht von der Rechtsfigur der Individualauskunft
aus und enthält keine Rechtsgrundlage für eine Auskunft
über Personen, die durch die Anfrage erst ermittelt werden sollen.

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