Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
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Gemäß Art. 13 Abs. 6 GG wurde die Bundesregierung
verpflichtet, den Deutschen Bundestag jährlich über die
akustischen Wohnraumüberwachungen zu unterrichten,
die für Zwecke der Strafverfolgung durchgeführt wurden.
§ 100e StPO konkretisiert diese Berichtspflicht dahingehend, dass die Unterrichtung aufgrund von Mitteilungen
der Staatsanwaltschaften der Länder über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis und Kosten der Maßnahmen zu erfolgen hat. Der Deutsche Bundestag, der zu diesem
Zweck ein Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG gewählt
hat, soll aufgrund der Berichte in die Lage versetzt werden, die Angemessenheit und Eignung der Maßnahme zu
überprüfen und somit eine laufende parlamentarische
Kontrolle dieser mit intensiven Grundrechtseingriffen
verbundenen Maßnahmen gewährleisten. Diese Berichtspflicht habe ich seinerzeit als wirksames Instrument zur
Gewährleistung der parlamentarischen Kontrolle begrüßt
(vgl. 17. TB Nr. 6.1).
Der Bericht für das Jahr 1998 (BT-Drs. 14/2452) wird
nicht den Anforderungen gerecht. So wird nur die Gesamtzahl der von einer Anordnung auf Wohnraumüberwachung Betroffenen erfasst, wobei zwischen beschuldigten und nicht beschuldigten Wohnungsinhabern
unterschieden wird. Wesentliche Informationen, die
schlüssige Aussagen zur Effizienz der Maßnahmen und
zur Intensität der damit verbundenen Grundrechtseingriffe ermöglicht hätten, enthält der Bericht jedoch nicht.
Insbesondere fehlen Angaben über die Anzahl aller von
der Maßnahme betroffenen Personen, also auch z. B. von
unverdächtigen Familienangehörigen, Bekannten oder
sonstigen zufälligen Besuchern. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben deshalb im Juni
2000 die Entschließung „Effektive parlamentarische
Kontrolle von Lauschangriffen durch aussagekräftige
jährliche Berichte der Bundesregierung“ verabschiedet
(s. Anlage 22).
Inzwischen liegt auch der Bericht der Bundesregierung
für das Jahr 1999 vor (BT-Drs. 14/3998). Dieser unterscheidet sich hinsichtlich der Angaben nicht vom ersten
Bericht. Da er dem Deutschen Bundestag jedoch bereits
mit Schreiben vom 27. Juli 2000 zugeleitet wurde, bestand wohl aufgrund des Zeitablaufs keine Möglichkeit,
die Empfehlungen der Entschließung zu berücksichtigen.
Bei einem Vergleich der beiden vorliegenden Berichte fallen keine signifikanten Unterschiede auf. Bezüglich der
Anzahl der Verfahren (1998: 11, 1999: 26) ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität erst am 9. Mai 1998
in Kraft getreten ist. Die Anlasstaten verteilen sich unverändert nahezu gleichwertig auf Mord bzw. Totschlag und
Betäubungsmitteldelikte. Die Anzahl der Betroffenen hat
zwar überproportional zugenommen (1998: 26,
1999: 142), doch ist dies überwiegend auf drei größere
Verfahren zurückzuführen. Eine Benachrichtigung der
Betroffenen ist im Jahr 1998 in fast allen Fällen erfolgt
(9 von 11), im Jahr 1999 wegen noch laufender Verfahren
in weniger Fällen (12 von 26). Positiv entwickelt hat sich
die Statistik der Relevanz der Maßnahmen für das Verfahren. Während die Relevanz im Jahr 1998 nur in
Drucksache 14/5555
3 von 11 Verfahren vorlag, war sie im Jahr 1999 in
13 von 26 Verfahren gegeben.
Ungeachtet dieser ersten Auswertungen werde ich mich
auch künftig dafür einsetzen, dass die Berichte der Bundesregierung noch geeignetere Angaben für eine parlamentarische Kontrolle enthalten.
6.2
Strafverfahrensänderungsgesetz
1999 endlich in Kraft getreten
Nahezu 17 Jahre hat es seit dem Volkszählungsurteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 gedauert, bis am 1. November 2000 das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999) in Kraft getreten ist
(BGBl. I S. 1253ff). Damit wurden endlich bereichsspezifische gesetzliche Grundlagen für die Erhebung und
Verarbeitung besonders schützenswerter personenbezogener Daten im Bereich der Justiz geschaffen. Zugleich
wurde ein Zustand beendet, der in den letzten Jahren allenfalls noch mit dem sog. Übergangsbonus des Bundesverfassungsgerichts gerechtfertigt werden konnte.
Das Gesetz basiert auf den Beratungen des Entwurfs
eines StVÄG 1996, der in mühseligen Verhandlungen
zwischen Bund und Ländern im Sommer 1998 fast konsensreif war, ehe er in letzter Minute doch noch scheiterte
(s. 17. TB Nr. 6.2). In der jetzigen, der 14. Legislaturperiode, war dieser Entwurf mit kleinen Änderungen als
StVÄG 1999 erneut ins parlamentarische Verfahren eingebracht worden, in dessen Beratungen die Ausschüsse
des Deutschen Bundestages zahlreiche datenschutzrechtliche Verbesserungen beschlossen. Diese fanden aber leider nicht die Zustimmung des Bundesrates, der im Gegenteil die Interessen der Strafverfolgungsbehörden
einseitig in den Vordergrund stellte und den Vermittlungsausschuss anrief. Die Datenschutzbeauftragten des
Bundes und der Länder haben daraufhin auf ihrer
59. Konferenz eine Entschließung verabschiedet, um eine
Absenkung des Datenschutzniveaus zu verhindern
(s. Entschließung vom 14./15. März 2000, Anlage 21).
Der Vermittlungsausschuss hat einen Kompromiss erarbeitet, der nun Gesetz geworden ist.
Zu den wesentlichsten Neuerungen des Gesetzes zählen
detaillierte Regelungen für strafprozessuale Ermittlungsmethoden, die, wie z. B. die Öffentlichkeitsfahndung und
die längerfristige Observation, einen tiefen Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen. Künftig
können bei Straftaten von erheblicher Bedeutung, beispielsweise bei Totschlag, sowohl der Richter als auch die
Staatsanwaltschaft aufgrund eines Haftbefehls auch Öffentlichkeitsfahndungen veranlassen, wenn andere Formen der Aufenthaltsermittlung erheblich weniger Erfolg
versprechend oder wesentlich erschwert wären. Unter den
gleichen Voraussetzungen darf auch eine Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten
oder eines Zeugen angeordnet werden. Damit liegt nun
auch eine Regelung für eine Fahndung im Internet vor,
deren sich die Strafverfolgungsbehörden in letzter Zeit
zunehmend bedienen. Diese Vorschriften zur Öffentlichkeitsfahndung bergen naturgemäß das Risiko, dass