Drucksache 14/5555
– 42 –
zwangsweise beim Bürger zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben erhobenen Daten gewährleistet.
Weiterhin habe ich gefordert, die technische Ausgestaltung der elektronischen Abrufe von Auskünften aus dem
Melderegister in Einzelheiten bereits im Melderechtsrahmengesetz zu regeln. Nur so kann gewährleistet werden,
dass die Sicherheitsstandards bundeseinheitlich in gleicher Weise geregelt werden.
Des weiteren ist die Abschaffung der Hotelmeldepflicht
für deutsche Staatsangehörige vorgesehen. Dies entspricht einem von mir bereits länger verfolgten Anliegen.
Der Referentenentwurf zum MRRG ging erst nach Redaktionsschluss bei mir ein.
5.8
Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes
der ehemaligen DDR
5.8.1
Verwendung der Stasi-Abhörprotokolle
Im Frühjahr 1999 entwickelte sich anlässlich der Beratungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses
zur CDU-Spendenaffäre ein Streit darüber, ob und in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss auf Stasi-Abhörprotokolle zurückgreifen darf. Obwohl es sich dabei
nicht um eine neue Problematik handelte, führte diese
Frage zu einer heftigen politischen Diskussion, in der leider auch behauptet wurde, dass ost- und westdeutsche
Personen der Zeitgeschichte unterschiedlich behandelt
würden. Dies lag wohl zum einen daran, dass es um die
Person des Altbundeskanzlers Helmut Kohl ging, und sich
zum anderen die Fragestellung anschloss, ob denn diese
und damit auch ähnliche Unterlagen, die andere Personen
der Zeitgeschichte betreffen, an Wissenschaftler und Medien herausgegeben werden dürfen.
Ich habe in dieser Diskussion immer den Opferschutzgedanken des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) in den Vordergrund gestellt. Die Stasi-Abhörprotokolle sind illegal
entstandene Unterlagen, die nach den Grundsätzen unseres Rechtsstaates nicht hätten entstehen dürfen. Sie dürfen
deshalb jetzt nicht zum Nachteil der Opfer der Praktiken
des MfS genutzt werden. Eine Unterscheidung der Stasiopfer nach ihrer Herkunft – Ost oder West – habe ich zu
jeder Zeit abgelehnt.
In der Zwischenzeit sind verschiedene juristische Gutachten erstellt worden, die wegen ihrer unterschiedlichen
Ergebnisse nicht zur endgültigen Klärung der Rechtsfragen beigetragen haben. Bei Redaktionsschluss lag noch
keine endgültige Entscheidung vor, wie die BStU die aktuellen und künftigen Anfragen behandeln wird.
5.8.1.1 Herausgabe an parlamentarische
Untersuchungsausschüsse
Bereits im Jahre 1995 hatte der sog. Schubladenausschuss
des Kieler Landtages ebenfalls Zugriff auf Stasi-Abhörprotokolle der BStU nehmen wollen. Das Landgericht
Kiel hatte seinerzeit festgestellt, dass Stasi-Abhörproto-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
kolle nicht an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss herausgegeben werden dürfen, weil die Rechte der
Betroffenen aus Art. 10 Abs. 1 GG bezüglich der durch das
Abhören des Fernmeldeverkehrs gewonnenen Stasi-Unterlagen Vorrang gegenüber dem Aufklärungsinteresse eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses hätten.
Das Urteil spiegelte somit meine Rechtposition wider
(vgl. 16. TB Nr. 5.9.1 und 17. TB Nr. 5.9.1). Aufgrund dieses Urteils und auch im Hinblick auf die Stellungnahme
der Bundesregierung zu meinem 16. TB, die sich meiner
Auffassung angeschlossen hatte, habe ich eine ursprünglich von mir geforderte eindeutige Regelung im StUG
nicht weiterverfolgt.
In Übereinstimmung mit dem Urteil des LG Kiel gehe ich
unverändert davon aus, dass parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht in jedem Fall der Zugang zu
Stasi-Abhörprotokollen offen stehen darf. Zwar haben sie
nach Art. 44 Abs. 1 GG die „erforderlichen Beweise zu erheben“, aber nach Absatz 2 finden die Vorschriften über
den Strafprozess sinngemäß Anwendung, und das Brief-,
Post- und Fernmeldegeheimnis bleiben unberührt. Die
Frage ist aber zunächst, ob sich das Zugangsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse auf alle Stasi-Unterlagen erstreckt oder ob es Grenzen gibt, und wenn ja,
wo diese Grenzen liegen. Da es sich um ein verfassungsrechtlich abgesichertes Zugangsrecht parlamentarischer
Untersuchungsausschüsse handelt, sind zunächst die
Grundsätze zu beachten, die das Bundesverfassungsgericht zur Auslegung von Art. 44 GG bereits entwickelt hat.
Das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und der grundrechtliche Datenschutz
stehen sich gleichwertig gegenüber und bedürfen im konkreten Einzelfall einer Abwägung, so dass beide Rechte
soweit als möglich zur Geltung kommen können. Demzufolge ist Art. 44 GG so auszulegen, dass einerseits die
verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine wirksame
parlamentarische Kontrolle gewährleistet sind und andererseits das Persönlichkeitsrecht sowie auch andere
Grundrechte (z. B. Art. 10 GG) gewährleistet bleiben.
Im vorliegenden Fall ist besonders zu beachten, dass es
um die Herausgabe von Stasi-Abhörprotokollen geht, also
um Informationen, die illegal und auf rechtsstaatswidrige
Weise gewonnen wurden. Da gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 2
GG das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unberührt
bleibt, dürfen parlamentarische Untersuchungsausschüsse nicht in Art. 10 GG eingreifen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt aber
nicht nur die Aufzeichnung der kommunikativen Daten
einen Grundrechtseingriff dar, sondern auch deren Kenntnisnahme und Verwertung durch einen Träger der öffentlichen Gewalt (BVerfGE 85, 386, 389). Das bedeutet, dass
auch staatliche Maßnahmen, die die Kenntnisnahme ermöglichen (dies wären neben den Protokollen auch Abschriften von Tonträgern) einen Eingriff in Art. 10 GG
darstellen. Da parlamentarische Untersuchungsausschüsse öffentliche Gewalt ausüben, sind die Kenntnisnahme und Verwertung der Stasi-Abhörprotokolle durch
parlamentarische Untersuchungsausschüsse Eingriffe
in den durch Art. 10 GG geschützten Bereich. Auf diesen