Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– 23 –

Anders als beispielsweise das unbefugte Öffnen eines
Briefes sind derart gravierende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht derzeit nicht strafbar, lediglich die Datenschutzgesetze ziehen in ihrem Anwendungsbereich gewisse Grenzen für die Erhebung und Verarbeitung solcher
Daten. Diese Vorschriften sind aber in vielen realistischen
Szenarien nicht anwendbar.
Ich halte deshalb ein gegen jedermann gerichtetes, ausdrückliches und strafbewehrtes Verbot für vordringlich,
ohne besondere Befugnis die Analyse des Genoms eines
Anderen durchzuführen oder durchführen zu lassen, oder
Ergebnisse der Analyse des Genoms eines Anderen zu
verarbeiten und zu nutzen.
Diese Schutzmaßnahmen für eines der wichtigsten Geheimnisse eines Menschen sollten getroffen werden, auch
wenn das Risiko besteht, dass sie mangels international
abgestimmter Regelungen nicht in allen Bereichen vollständig und zuverlässig greifen. Es ist besser, bald die internationale Diskussion damit anzustoßen, als auf ein sich
irgendwann einmal einstellendes Ergebnis zu warten
(s. Nr. 25.2.3).

1.8

Gesetzesinitiative zum Schutz der
Arbeitnehmerdaten nicht länger
verschleppen

Auch unsere Arbeitswelt wird zunehmend durch den Einsatz immer leistungsfähigerer Informations- und Kommunikationstechniken geprägt. Telearbeit und papierarmes Büro sind Stichworte dieser neueren Strukturen, die
auch in der öffentlichen Verwaltung Einzug halten. Der
PC gehört inzwischen zum Büroalltag; häufig ermöglicht
er den Zugriff auf umfangreiche Datenbanken und erlaubt
die Nutzung des Internet einschließlich des Empfangs und
des Versands von elektronischer Post, der E-Mail. Immer
mehr sollen Dokumente nur noch elektronisch verwaltet
und jederzeit sofort eingesehen werden können. Immer
häufiger werden Fragen zum Umgang mit Daten von Arbeitnehmern vor allem im Zusammenhang mit E-Mail
und Internetnutzung gestellt. Ohne Zweifel führt der technische Komfort zu erleichterten Arbeitsbedingungen für
die Mitarbeiter. Zugleich liegt er auch im Interesse der Arbeitgeber, die sich vom Einsatz dieser Techniken Wirtschaftlichkeits-, aber auch Rationalisierungseffekte versprechen. Auf der anderen Seite ist unbestreitbar, dass der
zunehmende Einsatz von Informations- und Kommunikationstechniken auch Risiken für die Persönlichkeitsrechte
der Mitarbeiter in sich birgt.
Das Bundesarbeitsgericht hat bereits 1984 – also zu einer
Zeit, als die Informations- und Kommunikationstechnik
noch in den Kinderschuhen steckte – auf die Risiken für
das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch die
technisierte Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten hingewiesen. Da gesetzliche Regelungen zum Arbeitnehmerdatenschutz nach wie vor weitgehend fehlen, ist
die Rechtslage aufgrund einer notwendigerweise lückenhaften, aber auch schwer zu erschließenden Rechtsprechung vielfach nicht eindeutig. Darüber hinaus erscheint
es äußerst problematisch, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre datenschutzrechtlichen Rechte und Pflichten

Drucksache 14/5555

nach geltendem Recht weitgehend nur aus dieser Rechtsprechung ableiten können.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
fordern bereits seit 1984 bereichsspezifische gesetzliche
Regelungen zum Arbeitnehmerdatenschutz. Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung mehrfach aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen,
was dieser bereits auch mehrfach ausdrücklich zugesagt
hat. Allerdings sind diesen Worten bislang keine Taten gefolgt. Auch in dieser Legislaturperiode hat die Bundesregierung neuerlich angekündigt, ein entsprechendes Gesetz vorzulegen, das die Entwicklung der Informationsund Kommunikationsgesellschaft arbeitsrechtlich flankieren soll.
Ich appelliere an die Bundesregierung, durch Vorlage eines Gesetzentwurfs die Gesetzesberatung nun endlich in
Gang zu setzen, damit in der zunehmend technisierten Arbeitswelt Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen wird. Es ist nicht länger hinnehmbar,
den Auftrag des Deutschen Bundestages nach Vorlage eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes zu verschleppen
(s. Nr. 18.1).

1.9

Internet – (k)ein rechtsfreier Raum

Im Internet steigt die Zahl der Nutzer weiter steil an,
durch neue Anbieter von Informationen und neue Angebote wird die virtuelle Welt noch bunter und faszinierender. Ihr dynamisches Wachstum trifft auf eine unregulierte
und etwas chaotische, noch längst nicht stabile Situation
in der virtuellen Welt. Aber auch im Internet handeln
Menschen, die Rechte und Pflichten haben (s. auch
Nr. 18.7). Fraglich ist jedoch, was davon wie unter den
Bedingungen eines an keine nationalen Grenzen gebundenen Netzes durchsetzbar ist.
In vielen nationalen Gesetzen und internationalen Deklarationen wird beispielsweise das Recht auf unbeobachtete
Kommunikation bekräftigt. Die Technik des Internet, in
dem Daten als Pakete von Knoten zu Knoten weitergereicht und dazu in jedem Knoten zunächst auch gespeichert werden, macht das Beobachten der Kommunikation
allerdings besonders leicht, insbesondere weil sich der
Weg der Daten nach der Topologie der beteiligten Datennetze und nach ihrer Belastung richtet, so dass die Partner
in der Regel weder wissen noch gar bestimmen können,
über welche Länder die Pakete laufen.
Für deutsche Anbieter im Internet schreibt das Teledienstedatenschutzgesetz insbesondere vor, dass Daten über
Nutzer nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden dürfen, wenn und solange es für das Erbringen oder das Abrechnen der Nutzung erforderlich ist oder soweit der Nutzer ausdrücklich seine Einwilligung erteilt hat. Der
Nutzer ist außerdem über die Verarbeitung seiner Daten
zu informieren. Ein besonderes Problem ist die Bekämpfung der auch im Internet vorhandenen Kriminalität. Die
Strukturen des Internet lassen sich auch für die Verbreitung von extremistischer Hetze, von illegalen Raubkopien
urheberrechtlich geschützter Werke oder von Kinderpornografie leicht nutzen. Obwohl das nur einen kleinen Teil

Select target paragraph3