Drucksache 14/5555

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

mungsrechten das Verfahren komplizieren und zu zeitlichen Verzögerungen führen könnte.

kungsrecht des Betroffenen – ebenfalls zum datenschutzrechtlichen Inhalt der Vorschrift.

Ich halte solche Befürchtungen und Vorbehalte für grundlos. Sachgerechte Lösungen können – gerade in schwierigen Einzelfällen – nur dann gefunden werden, wenn der
Versicherte in das Verfahren als Rechtssubjekt miteinbezogen wird. Mit dem Gutachterauswahl- und -vorschlagsrecht nach § 200 Abs. 2 SGB VII hat der Gesetzgeber
hierzu einen wichtigen Schritt getan und dem Versicherten Rechte auf Mitwirkung und Transparenz im Verfahren
eingeräumt.

Unabhängig von dieser Beurteilung stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund der Novellierung des BDSG die
Frage, ob eine Anonymisierung von Versichertendaten bei
der Übersendung an einen Gutachter mit der Bitte um
Stellungnahme überhaupt möglich ist. Dem Gutachter
soll zwar der Name des Versicherten nicht genannt werden. Es ist aber beabsichtigt, das auf den Daten des Versicherten basierende Gutachten in seinem Verfahren zu verwenden. Damit muss das Gutachten dem Versicherten
wieder zugeordnet werden können. Für die Bewertung, ob
ein Personenbezug vorliegt, sind die strengeren Maßstäbe
der Anonymisierung nach dem BDSG-Entwurf heranzuziehen: Danach müssen nicht nur die personenbezogenen
Daten des Versicherten, sondern auch alle Angaben, die
Rückschlüsse auf dessen Identität möglich machen – wie
beispielsweise Namen von Gutachtern, Ärzten und Arbeitgebern – unkenntlich gemacht werden. Schon bei
außergewöhnlichen Erkrankungen oder Abläufen kann
aber eine Zuordnung möglich sein. Zur Klärung dieser
Frage führe ich mit der betroffenen Berufsgenossenschaft
Gespräche. Ich hoffe, dass ich die Berufsgenossenschaft
davon überzeugen kann, dass ein valides Gutachten einfacher und besser zu erhalten ist, wenn dem Versicherten
mehrere Gutachter zur Auswahl vorgeschlagen werden
oder ein von ihm vorgeschlagener Gutachter beauftragt
wird, als durch eine mühevolle und sicherlich oft nicht erreichbare Anonymisierung.

Zwischen diesen Rechten und der angestrebten Beschleunigung von Verfahren besteht kein notwendiger Gegensatz. Nach aller Lebenserfahrung wird es im Gegenteil zur
Verfahrensbeschleunigung beitragen, wenn der Versicherte die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers
akzeptieren kann. Dies wird selbst bei Ablehnung des Antrags dann eher der Fall sein, wenn der Versicherte das ihn
betreffende Verfahren durchschauen kann und er nicht
den Eindruck gewinnt, dass etwas hinter seinem Rücken
geschieht. Dieses wird auch – zumindest hinsichtlich des
Vorschlagsrechtes – durch das vorstehend unter Nr. 23.1.2
erwähnte erfolgreich durchgeführte Pilotverfahren bestätigt.
23.1.3.1 Gutachten aufgrund „anonymisierter“
Daten
Um den Versicherten nicht mehrere Gutachter zur Auswahl vorschlagen oder den Gutachtenvorschlägen der
Versicherten folgen zu müssen, übermittelt eine Berufsgenossenschaft Daten der Versicherten ohne Nennung
von Namen an einen Gutachter zur Stellungnahme. Nach
Auffassung der Berufsgenossenschaft ist in diesem Fall
keine datenschutzrechtliche Frage berührt, da es sich
nicht um die Bekanntgabe personenbezogener Daten an
einen Dritten handele. Eventuelle Bedenken im Hinblick
auf § 200 Abs. 2 SGB VII beträfen nicht den Datenschutz,
sondern seien ausschließlich Verfahrensfragen, die nicht
meiner Zuständigkeit unterlägen.
Diese Argumentation vermag nur unzureichend den Eindruck zu verschleiern, dass auf diese Weise durchgeführte
Gutachterbeauftragungen einer datenschutzrechtlichen
Kontrolle entzogen werden sollen. Sie hält aber auch
rechtlichen Anforderungen nicht Stand. Durch die Rechte
des § 200 Abs. 2 SGB VII soll der Sozialdatenschutz in
bestimmten Verfahrenssituationen gestärkt werden. Diese
Vorschrift trifft zwar auch eine Regelung, auf welche Art
und Weise ein Beweismittel einzuholen ist, gibt dem Betroffenen aber zugleich ein Recht auf Mitwirkung in dem
Verfahren. Das Mitwirkungsrecht beruht unmittelbar auf
dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und betrifft damit den Kernbereich des Datenschutzes. Dass
auch der Gesetzgeber dies so gesehen hat, zeigt die Einordnung der Vorschrift unter das 8. Kapitel des SGB VII,
das mit „Datenschutz“ überschrieben ist. Zudem ist durch
die beschriebene Verfahrensweise die Transparenz des
Verfahrens nicht mehr gegeben. Diese zählt als grundlegendes Element des Datenschutzes – neben dem Mitwir-

23.1.3.2 Gutachten während eines Gerichtsverfahrens
An mich ist die Frage gerichtet worden, ob § 200 Abs. 2
SGB VII auch dann anzuwenden ist, wenn während eines
anhängigen Sozialgerichtsverfahrens ein neues Gutachten
zu der Frage in Auftrag gegeben wird, ob ein ursächlicher
Zusammenhang zwischen Exposition am Arbeitsplatz
und Erkrankung des Versicherten besteht. In mehreren
Eingabefällen hatte ein vom Sozialgericht beauftragter
Gutachter eine von der Entscheidung der jeweiligen Berufsgenossenschaft abweichende Auffassung vertreten,
und die Berufsgenossenschaften wollten nun vor dem Sozialgericht anhand eines neuen Gutachtens eine medizinisch fundierte Stellungnahme dazu abgeben.
Nach dem Wortlaut des § 200 Abs. 2 SGB VII, wonach
der Unfallversicherungsträger dem Versicherten vor Erteilung eines Gutachtenauftrages mehrere Gutachter zur
Auswahl benennen soll, ist die Vorschrift auch in diesem
Fall anzuwenden. Die Geltung der Vorschrift erstreckt
sich auf das unfallversicherungsrechtliche Verfahren bis
zur Bestandskraft bzw. Rechtskraft des Bescheides. Eine
Einschränkung auf das Verfahren bis zur Entscheidung
über den Widerspruch besteht nicht. Zwar ist nicht von der
Hand zu weisen, dass diese Fallkonstellation nicht dem
Regelfall des § 200 Abs. 2 SGB VII entspricht. Auch
kommt die mit der Vorschrift beabsichtige Stärkung der
Mitwirkungsrechte des Versicherten gegenüber den Unfallversicherungsträgern hier nicht insoweit zum Tragen,

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