Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

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als die Entscheidung über den Antrag des Versicherten
nicht von einer Berufsgenossenschaft, sondern von dem
Sozialgericht getroffen wird. Da dieses Gutachten aber
nicht allein für eine Stellungnahme gegenüber dem Sozialgericht Bedeutung haben kann, halte ich eine Einholung
durch die Berufsgenossenschaft in den Fällen für bedenklich, wenn der ursprüngliche Bescheid von dem Unfallversicherungsträger oder dem Sozialgericht aufgehoben
wird und das Gutachten weiterhin in den Akten des Versicherten verbleibt. Denn dieses Gutachten könnte als
Grundlage einer neuen Entscheidung der Berufsgenossenschaft dienen oder in sonstiger Weise Einfluss auf die
Entscheidung eines Sachbearbeiters oder gegebenenfalls
eines neuen Gutachters haben, obwohl dem Versicherten
bei der Beauftragung des Gutachters nicht die Rechte des
§ 200 Abs. 2 SGB VII gewährt wurden, weil das Gutachten lediglich im Prozessverfahren als Parteiäußerung oder
Beweismittel zu verstehen ist. Ein solches Ergebnis wäre
mit der Intention der Vorschrift nicht vereinbar.
Ich bemühe mich, mit einzelnen Berufsgenossenschaften
und auch dem HVBG in dieser schwierigen Situation eine
praktikable und datenschutzfreundliche Lösung zu finden. Ein abschließendes Ergebnis konnte bislang nicht erzielt werden.

23.2

Noch ungewisse Folgen, wenn § 200
Abs. 2 und § 199 Abs. 3 SGB VII
nicht beachtet werden

Auch im Zusammenhang mit Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften stellt sich die Frage nach
den Rechtsfolgen. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB X besteht
ein einklagbarer Anspruch auf die Löschung von Sozialdaten, wenn die Speicherung dieser Daten unzulässig ist.
Probleme bereitet das datenschutzrechtliche Löschungsgebot in noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren. Einschlägige Kommentierungen hierzu gehen
überwiegend davon aus, dass Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften im Regelfall als bloße Verfahrensfehler zu behandeln sind, die vom Betroffenen
nicht gesondert, sondern nur im Zusammenhang mit einer
Sachentscheidung angefochten werden können. Zuzugeben ist, dass ein gesondert durchzusetzendes Löschungsgebot nur dann verwaltungsökonomisch sinnvoll ist,
wenn bei Beachtung der fraglichen datenschutzrechtlichen Vorschrift eine andere Entscheidung in der Sache
möglich gewesen wäre. Insofern erscheint es sachgerecht,
ausgehend von dem datenschutzrechtlichen Löschungsgebot die Rechtsfolgen im laufenden Verfahren nach den
in §§ 40 ff. SGB X festgelegten Maßstäben für verwaltungsrechtliche Verfahrensvorschriften zu beurteilen. In
diesen Vorschriften ist eine Wertung hinsichtlich der
Möglichkeit einer anders lautenden Sachentscheidung
und der Schwere der nichtbeachteten Vorschriften enthalten.
Fragen nach den Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften haben im Berichtszeitraum
insbesondere bei der Verletzung des Gutachterauswahl–

Drucksache 14/5555

und -vorschlagsrechts nach § 200 Abs. 2 SGB VII eine
große Rolle gespielt. Ihre Beantwortung ist deshalb von
besonderer Wichtigkeit, da die Löschung eines unzulässigerweise eingeholten Gutachtens für die Entscheidung
über den Antrag selbst unmittelbaren Einfluss haben
kann.
Nach den Regelungen des Sozialgesetzbuchs muss ein
Verstoß gegen das Gutachterauswahlrecht auch nach der
Auffassung, die von einem bloßen Verfahrensfehler im
Sinne des § 42 SGB X ausgeht, zu einer Löschung des
Gutachtens führen. Denn wendet man diese Vorschrift auf
das Gutachterauswahlrecht an, kann allenfalls noch eine
Parallele zu einer unterbliebenen Anhörung nach § 42
Satz 2 SGB X gezogen werden, wonach die Unbeachtlichkeit von Verfahrensmängeln ausgeschlossen ist. Die
Gleichwertigkeit des Anhörungsrechts und des Gutachterauswahl- und -vorschlagsrechts wird daran deutlich, dass
beide Rechte auf einem Grundrecht bzw. einem diesem
gleichgestellten Recht beruhen und dem Betroffenen Beteiligungsrechte im Verfahren einräumen. Dabei geht das
Auswahlrecht des § 200 Abs. 2 SGB VII in seiner
Rechtswirkung noch über die einer bloßen Anhörung hinaus. Denn während der Unfallversicherungsträger seine
Entscheidung ungeachtet des Ergebnisses einer Anhörung
treffen kann, ist er an die Gutachterauswahl des Versicherten gebunden. In Anbetracht der Stärke des Gutachterauswahlrechts ist es daher gerechtfertigt, die Löschung
des Gutachtens unabhängig vom Verfahren durchzusetzen.
Anders verhält es sich dagegen bei einem Verstoß gegen
die datenschutzrechtliche Vorschrift des § 199 Abs. 3
SGB VII. Danach dürfen Auskünfte zu Vorerkrankungen
erst eingeholt werden, wenn Anhaltspunkte für die Exposition vorliegen. Bei Nichtbeachtung dieser Vorschrift
wird zwar die vom Gesetzgeber vorgesehene Staffelung
bei den Eingriffen in die Rechte des Betroffenen nicht
eingehalten. Ein Beteiligungsrecht, das u. U. zu einer anderen Entscheidung in der Sache führen könnte, ist aber
nicht betroffen. Da die Vorschrift in ihrem Regelungsgehalt dabei mit einer Verfahrensvorschrift vergleichbar ist,
halte ich es für sachgerecht, in diesen Fällen die Regelung
über die Unbeachtlichkeit von Verfahrensmängeln anzuwenden.
Ich habe Gespräche zu dieser Thematik mit den betroffenen Berufsgenossenschaften und dem HVBG aufgenommen. Ein Ergebnis konnte bis zum Redaktionsschluss
nicht erzielt werden.

23.3

Verträge zur Durchführung der
Heilbehandlung nach § 34 Abs. 3
SGB VII

Zur Durchführung der Heilbehandlung, der Vergütung der
Ärzte und Zahnärzte sowie über die Art und Weise der
Abrechnung schließen die Verbände der Unfallversicherungsträger mit der Kassenärztlichen und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung Verträge, deren we-

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