Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Drucksache 14/5555

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Entwurfsfassung in Kraft getreten wäre, hätten die Krankenkassen über umfangreiche medizinische, versichertenbezogene Patientendatenbestände (Patientenprofile)
verfügt. Bei den Krankenkassen wäre der „gläserne Patient“ entstanden.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
haben deshalb an den ursprünglichen Entwürfen des Gesetzes massive Kritik geübt. Auch auf Grund dieser geschlossen vorgetragenen Position ist es gelungen, in den
parlamentarischen Beratungen die gegen die Entwürfe erhobenen erheblichen datenschutzrechtlichen Einwendungen auszuräumen; die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat sich in einer
Entschließung zu der gefundenen Lösung zustimmend
geäußert (s. Anlage 17). Mit der vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Fassung wäre der Datenschutz in der
Gesetzlichen Krankenversicherung zugunsten der Versicherten weiterentwickelt worden, ohne dass hierdurch die
Zielsetzung der ursprünglichen Gesetzentwürfe beeinträchtigt worden wäre. Einerseits sollten dadurch die
Krankenkassen künftig über die vollständigen Abrechnungsdaten aller Leistungserbringer, also auch die der
Ärzte und der Zahnärzte, für alle Versicherten verfügen
können, womit einem Anliegen der Bundesregierung
– stärkere Verantwortung der Krankenkassen bei der Kostendämpfung – Rechnung getragen worden wäre. Andererseits hätte jedoch zugleich vermieden werden können,
dass die Krankenkassen die Leistungsdaten versichertenbezogen speichern. Denn es war vorgesehen, alle Leistungsabrechnungsdaten von den Leistungserbringern den
neu einzurichtenden Datenannahmestellen zu übermitteln. Die Datenannahmestellen sollten die Leistungsabrechnungen vor der Übermittlung an die jeweilige Krankenkasse pseudonymisieren. Diese hätte dann zwar alle
Leistungen, z. B. auch die verschiedener Ärzte für einen
Versicherten, zusammenführen können; der Bezug zum
Namen oder zur Versichertennummer wäre ihr jedoch
grundsätzlich nicht – nur bis auf wenige ausdrücklich gesetzlich geregelte Ausnahmen – möglich gewesen. Diese
Reidentifikation hätte nur von einem Trust-Center vorgenommen werden können, das räumlich und organisatorisch von der Datenannahmestelle getrennt war. Die
Reidentifikation hätte unter Angabe des Grundes protokolliert werden müssen und wäre damit jeweils nachvollzieh- und kontrollierbar gewesen. Dies hätte zur Transparenz des Verfahrens erheblich beigetragen. Eine
Reidentifikation durch die Krankenkassen wäre in keinem Fall möglich gewesen.
In dem am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 (BGBl. I S. 2626), das das
Ergebnis eines Vermittlungsverfahrens ist, sind die Vorschriften über Datenannahmestellen und über die Pseudonymisierung nicht mehr enthalten; insoweit ist der Gesetzentwurf, der zur Verbesserung des Datenschutzes im
Bereich der GKV erheblich beigetragen hätte, gescheitert.
Ich habe deshalb das BMG bestärkt, die im Jahre 1999 gemeinsam erarbeiteten sehr datenschutzfreundlichen Regelungen im Umgang mit den Daten der Versicherten im
Sozialgesetzbuch zu verankern.

Das BMG bereitet zur Zeit den Entwurf eines Gesetzes
über Datentransparenz und Datenschutz in der GKV
(Transparenzgesetz) vor. Soweit mir bekannt ist, sieht
auch dieser Entwurf datenschutzrechtliche Verbesserungen gegenüber dem derzeitigen Rechtszustand vor. So soll
eine Pseudonymisierung der Abrechnungsdaten erfolgen,
allerdings erst nach der Leistungsabrechnung. Auch sollen die Krankenkassen die Leistungsabrechnungen auf
Dauer nur pseudonymisiert speichern dürfen, so dass nach
dem neuen Entwurf der „gläserne Versicherte“ nicht entstehen kann.
Wie bei der Beratung des Gesetzentwurfs im Jahre 1999
werde ich mich intensiv in die Vorbereitung des Entwurfs
und in die parlamentarischen Beratungen einschalten,
um datenschutzrechtliche Verbesserungen im Bereich der
Gesetzlichen Krankenversicherung sicherzustellen.

21.2

ICD-10

Mit der Automatisierung der Datenübermittlung zu Abrechnungszwecken ist es erforderlich, dass Ärzte und
Krankenhäuser zur Codierung der zu übermittelnden leistungsbegründenden Diagnosen einen Schlüssel als Ersatz
des bisher üblichen Klarschrifteintrags der Diagnose verwenden. In der Vergangenheit habe ich mich bereits mehrfach mit der Einführung des hierfür vorgesehenen ICD-10
befasst (vgl. 16. TB Nr. 21.1.5, 17. TB Nr. 21.5). In diesen Tätigkeitsberichten hatte ich erhebliche Bedenken gegen die feine und tiefe Aufgliederung der Schlüssel vorgetragen, die so nicht immer zur Leistungsbegründung
gegenüber den Krankenkassen erforderlich seien und in
Einzelfällen sogar den Therapieerfolg gefährden könnten.
Insbesondere im Hinblick auf diese Bedenken und nach
heftigen Reaktionen der Öffentlichkeit war die Inkraftsetzung des ICD-10 vom BMG verschoben worden.
Der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information – DIMDI – im Auftrag des BMG
herausgegebene ICD-10 ist inzwischen – mit für einzelne
Fachgruppen erheblichen Zusammenfassungen – vom
BMG durch Bekanntmachung vom 24. Juni 1999 (Bundesanzeiger vom 8. Juli 1999, Nr. 124, S. 10985) mit Wirkung vom 1. Januar 2000 in Kraft gesetzt worden. Der
jetzt zu verwendende Schlüssel ist durch § 295 Abs. 1
bzw. § 301 Abs. 2 SGB V in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000, die die Ärzte bzw. Krankenhäuser verpflichten, bei der Abrechnung der Leistungen die Diagnosen nach dem ICD–10 zu verwenden, seit
1. Januar 2000 abgedeckt. Dieser abrechnungsorientierte
ICD-10 entspricht meinen Erwartungen.
Im Hinblick auf die in § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz vorgesehene Einführung eines pauschalisierenden
Entgeltsystems für die Abrechnung der allgemeinen
Krankenhausleistungen ist eine Erweiterung des ICD-10
erforderlich. Gegen die ursprünglich vom BMG vorgesehene Fassung habe ich gemeinsam mit den Landesbeauftragten für den Datenschutz Bedenken vorgetragen. Ich
habe insbesondere darauf hingewiesen, dass der ICD-10
im Hinblick auf § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz
nur insoweit erweitert werden darf, als die einzelnen

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