Drucksache 14/8312
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aus den Telefaxverkehren gewonnen. Telexverkehre machen nur noch einen zu vernachlässigenden Restanteil an
verwertbaren Meldungen aus. Dies ist insbesondere auf
den fortgesetzten Wandel hin zur verstärkten Nutzung
moderner Kommunikationstechniken wie der Datenfernübertragung per E-Mail zurückzuführen. Dabei
kommt es oft auch zur Nutzung mobiler Endgeräte wie
beispielsweise Handys. Insgesamt ist ein weiterer Rückgang an erfassten Fernmeldeverkehren aus dem nicht leitungsgebundenen Aufkommen zu verzeichnen, der nicht
zuletzt auch darauf gründet, dass die satellitengestützte
Übertragung aus Kostengründen durch die Übertragung
mittels Glasfaserkabel ersetzt wird, deren Übertragungsraten um ein Vielfaches höher sind. Mit der Novellierung
des G 10 hat der Gesetzgeber – wie oben dargelegt – dieser technischen Entwicklung Rechnung getragen.
3. Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses bei Gefahr für Leib und Leben
einer Person im Ausland nach § 8 G 10
Die Erfahrung aus der Geiselnahme unter anderem deutscher Touristen im Sommer 2000 auf der philippinischen
Insel Jolo haben den Gesetzgeber veranlasst, bei der Novellierung des G 10 eine neue Bestimmung aufzunehmen,
die dem BND in besonderen Krisensituationen ermöglicht, die strategische Fernmeldekontrolle auch außerhalb
ihres eigentlichen, durch § 5 Abs. 1 G 10 umrissenen Bereichs einzusetzen. Nach dem neu eingefügten § 8 G 10
dürfen Beschränkungen nach § 1 Abs. 1 G 10 für internationale Telekommunikationsbeziehungen im Sinne von
§ 5 Abs. 1 Satz 1 G 10 angeordnet werden, wenn dies erforderlich ist, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für
Leib und Leben einer Person im Ausland rechtzeitig zu erkennen oder ihr zu begegnen, und wenn dadurch Belange
der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar in besonderer Weise berührt sind. Die Vorschrift soll es u. a. ermöglichen, dass die Bundesregierung sich schützend für entführte deutsche Staatsbürger im Ausland einsetzen kann,
um ein rasches Ende einer Geiselnahme zu erreichen. Die
sich aus dieser Regelung ergebende Eingriffsbefugnis ist
nicht auf den Schutz deutscher Staatsbürger beschränkt.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Da die Fernmeldekontrolle in einer konkreten Krisensituation eingesetzt wird, kann ihre „Aufklärungsdichte“
höher sein als bei einer strategischen Beschränkung nach
§ 5 Abs. 1 G 10. Deshalb sind die Voraussetzungen, unter
denen dieses Mittel eingesetzt werden kann, besonders
streng. So bedarf die Zustimmung des Kontrollgremiums
zur Bestimmung der Telekommunikationsbeziehungen
einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder. Darüber
hinaus ist die Bestimmung von vornherein auf zwei Monate befristet.
VI. Ausblick
Die Unverletzlichkeit des Brief,- Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 GG stellt ein besonders herausragendes Schutzgut dar. Eingriffe in diesen Bereich
dürfen nur aufgrund des G 10 und der dort aufgestellten
strengen Vorgaben durchgeführt werden. Den deutschen
Nachrichtendiensten und den beteiligten Ministerien
kommt eine große Verantwortung bei der Beantragung
und Durchführung jeder einzelnen Anordnung zu. Das
Parlamentarische Kontrollgremium hat den Eindruck gewonnen, dass die Sicherheitsbehörden ihre Tätigkeit auch
im Berichtszeitraum gewissenhaft ausgeübt und die Beschränkungen der Bürgerinnen und Bürger in diesem Bereich so gering wie möglich gehalten haben. Die Anschläge
des 11. September 2001 in den USA haben aber auch deutlich gemacht, wie verletzlich gerade offene Gesellschaften
gegen derartige Angriffe sein können und wie wichtig es
ist, gerade als freiheitlich demokratisch Gesellschaft auch
abwehrbereit zu sein. Auch in Zukunft wird eine wichtige
Aufgabe der Sicherheitsbehörden, aber auch der sie kontrollierenden Gremien, darin bestehen, unter Einsatz aller
rechtsstaatlichen Mittel einerseits ein größtmögliches Maß
an Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in unserem
Land zu garantieren und dabei anderseits die Bedürfnisse
jedes Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre im Rahmen
der rechtsstaatlichen Ordnung zu wahren.
Berlin, den 20. Februar 2002
Erwin Marschewski, MdB
Vorsitzender