Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
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– für die freiheitliche demokratische Grundordnung,
– für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder
eines Landes, einschließlich der Sicherheit der in der
Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen
der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages.
Die weiteren Voraussetzungen richten sich danach, welche Art Maßnahme vorgenommen wird. Unterschieden
wird dabei zwischen den Beschränkungen in Einzelfällen
nach § 3 G10 (sog. Individualmaßnahmen) und den strategischen Beschränkungen nach den §§ 5 und 8 G10.
1.
Beschränkungen in Einzelfällen
nach § 3 G10
a)
Allgemeine Voraussetzungen
Die Post- und Fernmeldekontrolle der Nachrichtendienste
ist eine Erkundung im strafrechtlichen Vorfeld. Soweit
sich die Maßnahme gegen einen einzelnen Verdächtigen
und ggf. gegen Umfeldpersonen richtet, wird sie als „Beschränkung im Einzelfall“ oder auch als „Individualkontrolle“ bezeichnet. Die Voraussetzungen sind in
§ 3 G10 geregelt. Danach setzt eine Beschränkung der
Grundrechte des Einzelnen zusätzlich zu den Erfordernissen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 G10 voraus, dass tatsächliche
Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass diese Person eine der in § 3 Abs. 1 G10 aufgeführten „Katalogstraftaten“ plant, begeht oder begangen hat. Im Einzelnen
werden folgende Straftaten aufgeführt:
(1) Straftaten des Friedensverrats oder des Hochverrats
(§§ 80 bis 83 des Strafgesetzbuches – StGB)
(2) Straftaten der Gefährdung des demokratischen
Rechtsstaates (§§ 84 bis 86, 87 bis 89 StGB, § 20 Abs. 1
Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes)
(3) Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung
der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 96, 97a bis 100a StGB)
(4) Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109e
bis 109g StGB)
(5) Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages
(§§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g StGB in
Verbindung mit Artikel 7 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11. Juni 1957 in der Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1968 [BGBl. I S. 741])
(6) Straftaten nach
a) den §§ 129 a bis 130 des Strafgesetzbuches sowie
b) den §§ 211, 212, 239a, 239b, 306 bis 306 c, 308
Abs. 1 bis 3, § 315 Abs. 3, § 316b Abs. 3 und
316c Abs. 1 und 3 StGB, soweit diese sich gegen
die freiheitliche Grundordnung, den Bestand
oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten, oder
(7) Straftaten nach § 95 Abs. 1 Nr. 8 des Aufenthaltsgesetzes.
Drucksache 16/6880
Gleiches gilt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den
Verdacht bestehen, dass jemand Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die
Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.
Ein Eingriff in das Grundrecht aus Artikel 10 GG ist nach
§ 3 Abs. 2 G10 aber nur zulässig, wenn die Erforschung
des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf sich nur gegen den Verdächtigen (sog. Hauptbetroffener, § 3 Abs. 1 G10) oder
gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter
Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Verdächtigen
bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Verdächtige
ihren Anschluss benutzt (sog. Nebenbetroffene, § 3
Abs. 2 Satz 2 G10). Maßnahmen, die sich auf Sendungen
beziehen, sind nur hinsichtlich solcher Sendungen zulässig, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
sie von dem, gegen den sich die Anordnung richtet, herrühren oder für ihn bestimmt sind. Abgeordnetenpost von
Mitgliedern des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder darf nicht in eine Maßnahme einbezogen werden, die sich gegen einen Dritten richtet.
b)
Art und Umfang der Beschränkungsmaßnahmen
Im Berichtszeitraum sind mehrere G10-Maßnahmen vom
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und eine vom
Bundesnachrichtendienst (BND) beantragt und genehmigt worden.
Insgesamt schwankte die Zahl der Beschränkungsmaßnahmen im Berichtszeitraum zwischen 61 Einzelmaßnahmen im ersten Halbjahr und 63 Einzelmaßnahmen im
zweiten Halbjahr 2006 (im vorherigen Berichtzeitraum
lag die Zahl der Einzelmaßnahmen bei 54 und 58 Maßnahmen). Die Zahlen setzen sich jeweils zusammen aus
den noch andauernden Verfahren aus dem vorangegangenen Berichtszeitraum und den im aktuellen Berichtszeitraum neu beantragten Maßnahmen.
Die Anzahl der betroffenen Personen, auf die sich die
Maßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 G10 erstreckten,
also die Zahl der Hauptbetroffenen, schwankte zwischen
364 (1. Halbjahr 2006) und 392 (2. Halbjahr 2006) (im
Jahr 2005 schwankte die Zahl zwischen 389 und 329 Personen). Die Zahl der Nebenbetroffenen nach § 3 Abs. 2
Satz 1 G10 variierte zwischen 293 (1. Halbjahr 2006) und
286 (2. Halbjahr 2006) (im Jahr 2005 schwankte die Zahl
zwischen 265 und 282 Personen).
Die Schwankungen der Zahlenangaben ergeben sich daraus, dass die Anordnungen jeweils auf höchstens drei
Monate befristet sind. Sie können auf Antrag – soweit die
Voraussetzungen der Anordnungen fortbestehen – um jeweils nicht mehr als drei Monate verlängert werden.
Daraus folgt, dass in einem Berichtszeitraum Maßnahmen durchgängig durchgeführt, Maßnahmen aus dem
Vorbericht übernommen und beendet werden oder neue
Maßnahmen begonnen und beendet oder Maßnahmen neu
begonnen werden, die dann in den nächsten Berichtszeitraum übergehen.