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2.1.13 Was dürfen Medien und Öffentlichkeit über die Vergangenheit ehemaliger Beamter
wissen?
Das Oberverwaltungsgericht NRW sieht niedrigere Zugangshürden zu Informationen über das kritikwürdige
Vorleben inzwischen verstorbener Pensionäre zu Zeiten des „Dritten Reiches“ als das VG Köln.
Die Frage des Informationszuganges zu einem Gutachten, mit dem die Nachrufwürdigkeit von Pensionären des
damaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) mit Blick auf
deren Verhalten im Dritten Reich untersucht worden war, hat bereits zwei Instanzen beschäftigt.
Nachdem das VG Köln den Informationszugang nur mit Einwilligung der Pensionäre bzw. ihrer Hinterbliebenen für zulässig erachtet hatte (vgl. 4. TB Nr. 3.1.2.2), differenziert das OVG und hält mit Blick auf inzwischen
verstorbene Mitarbeiter eine Abwägung des journalistischen Informationsinteresses mit dem - postmortal abnehmenden - Schutz der Persönlichkeitsrechte für geboten.
Kasten a zu Nr. 2.1.13
OVG NRW, Urteil vom 10. August 2015 - 8 A 2410/13, Rdn. 40 - juris „(...) In Bezug auf die bereits verstorbenen früheren Bediensteten bzw. Beschäftigten, die in dem Schlussbericht
als „deutlich kritikwürdig“ oder als „nicht ehrwürdig“ qualifiziert werden, kann der Kläger die Offenlegung der
geschwärzten Textstellen beanspruchen. Er hat ferner Anspruch auf Einsicht in diejenigen Textstellen des
Schlussberichts, die Personen betreffen, die vom Gutachter als (einfach) „kritikwürdig“, als „nicht kritikwürdig“
oder „mit Respekt“ bewertet wurden, soweit der Zeitpunkt ihres Todes mindestens drei Jahre zurückliegt.“
„Soweit die Bediensteten, auf die sich die geschwärzten Textstellen beziehen, noch leben, ist der Anspruch auf
Informationszugang vorbehaltlich noch zu erteilender Einwilligungen dieser Personen nach § 5 Abs. 1 und 2
IFG ausgeschlossen. (...)“ (Rdn. 44)
Seine restriktive Auslegung des § 5 Absatz 2 IFG und damit die Zulässigkeit und Notwendigkeit einer Abwägung stützt das OVG zum einen auf den postmortal schwächer werdenden Schutz der Persönlichkeitsrechte, auf
die verfassungsrechtlich geforderte und gewährleistete Kontrollfunktion der Presse und die Wertungen des Beamtenrechtes, das in § 111 Absatz 3 Satz 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) eine verfassungskonforme „Offenlegungsschwelle“ für Personalaktendaten enthalte, die auch durch ein „pressespezifisches Informationsinteresse“
(a. a. O., Rdn. 78) überwunden werden könne und den Informationszugang auf der Grundlage des Beamtenrechtes im Einzelfall ermögliche.
Kasten b zu Nr. 2.1.13
§ 111 Absatz 3 Satz 1 BBG
Auskünfte an Dritte dürfen nur mit Einwilligung der Beamtin oder des Beamten erteilt werden, es sei denn, dass
die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder der Schutz berechtigter, höherrangiger
Interessen der oder des Dritten die Auskunftserteilung zwingend erfordert.
Eine Offenlegung der Lebensläufe der noch lebenden Betroffenen ohne Einwilligung aufgrund einer Abwägung
schließt das OVG allerdings aus.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zugelassen. Über den Ausgang des Verfahrens werde ich im
6. TB berichten.