Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
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Drucksache 18/12850

Der „offene Himmel“ und die Theorie des „virtuellen Auslands“

Unter dem Blickwinkel des Artikel 10-Gesetzes waren nach Auskunft des Zeugen Dr. Hans de With, der von
Mitte 1999 bis Januar 2014 Vorsitzender der G 10-Kommission des Deutschen Bundestages war3915, alle
Beschränkungsmaßnahmen des BND zu Kommunikationen, die entweder innerhalb eines ausländischen
Staates oder zwischen verschiedenen ausländischen Staaten erfolgten, vom Anwendungsbereich des Artikel 10-Gesetzes nicht erfasst. Der Zeuge hat dies als „offener Himmel“ umschrieben.3916
Der Zeuge Dr. de With hat darauf hingewiesen, dass Maßnahmen des BND, die Kommunikationsverbindungen innerhalb des Auslands oder von ausländischen Staaten zu ausländischen Staaten, betreffen, den Großteil
der Überwachungsmaßnahmen des BND ausmachten. Sie seien aber nicht ausreichend geregelt, insbesondere
§ 1 Abs. 2 BNDG sei schon wegen des fehlenden Verweises auf Art. 10 GG keine geeignete gesetzliche
Grundlage.3917 In seiner Vernehmung hat er dazu ausgeführt:
„Wenn es einen ‚offenen Himmel‘ gibt – und der ‚offene Himmel‘ ist nicht geregelt,
und man stützt sich nur auf § 1 ff. BND-Gesetz –, dann ist es jedenfalls nach den wohl
gängigen Mehrheitsmeinungen legal, was die tun, wobei ich meine: Die Reichweite
des Artikels 10 ist dann nicht beachtet; das muss geändert werden.“3918
Er wolle allerdings nicht sagen, dass der BND bei der Überwachung des „offenen Himmels“ rechtswidrig
handle. Aber er wolle betonen, dass diese Art der Überwachung einer gesetzlichen Regelung bedürfe.3919
Die rechtliche und im BND praktisch umgesetzte Differenzierung zwischen Beschränkungsmaßnahmen, die
einer G 10-Anordnung bedurften, und solchen, die den „offenen Himmel“ betrafen, war in erheblichem Maße
für die Frage relevant, ob eine erteilte Anordnung für eine strategische G 10-Erfassung für die Erhebung von
Routineverkehren genutzt werden konnte, etwa wenn die betroffenen Telekommunikationsdienstleister nur
bei Vorliegen einer solchen zur Kooperation bereit waren [vgl. hierzu eingehend unter F.IV.3.].
Der Untersuchungsausschuss hat sich ferner mit der Frage befasst, welchem rechtlichen Regime Daten aus
Ausland-Ausland-Kommunikation, die aber an einem in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Kabel
abgegriffen wurden, unterfallen und ob es sich hierbei aus Sicht des BND insoweit trotz Kabelzugriffs im
Inland genauso um „virtuelles Ausland“ handelte, wie für die „Weltraumtheorie“ begründet worden war, da
Anfangs- und Endpunkt der Kommunikation sich jeweils im Ausland befinden. Die Folge wäre in gleicher
Weise, dass die Erhebung allein auf der Grundlage von § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG erfolgen könnte und die datenschutzrechtlichen Vorschriften des BNDG in §§ 2 ff. BNDG keine Anwendung fänden. Es blieb aber unklar, ob die Grundsätze der „Weltraumtheorie“ auch auf Kabelerfassungen von Ausland-Ausland-Verkehren
angewendet worden sind.

3915)
3916)
3917)
3918)
3919)

Dr. de With, Protokoll-Nr. 43 I, S. 105.
Dr. de With, Protokoll-Nr. 43 I, S. 105, 115; Huber, NJW 2013, 2575; vgl. auch Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. vom 18. Februar 2014, BT-Drs. 18/553, S. 2.
Dr. de With, Protokoll-Nr. 43 I, S. 105 (sowie Anmerkung zu S. 105 in der Anlage 1).
Dr. de With, Protokoll-Nr. 43 I, S. 113.
Dr. de With, Protokoll-Nr. 43 I, S. 110.

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