Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– 1687 –

Drucksache 18/12850

Leben kommen, weshalb schon der Begriff der gezielten Tötung einen irreführenden Euphemismus darstellt.9057 Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Drohnenangriff statt der anvisierten mutmaßlichen Kämpfer oder darüber hinaus sehr regelmäßig auch Zivilpersonen getötet werden, ist hinreichend signifikant.9058
c)

Pflichten-Wahrnehmung durch die Bundesregierung

aa)

Unzulänglichkeit bisheriger Maßnahmen

Die Bundesregierung hat, soweit nachvollziehbar, bislang lediglich unterschwellige diplomatische Versuche
unternommen, um Kenntnis über die Aktivitäten der USA auf dem Stützpunkt Ramstein zu erlangen. Über
die Versendung eines Fragebogens an die US-Regierung hinaus hat die Bundesregierung keine weiteren ersichtlichen Maßnahmen zur Erkenntnisgewinnung unternommen. Dies ist aus Sicht der Opposition angesichts der Schwere des Sachverhalts sowie des im Raume stehenden Vorwurfs der Beteiligung der Bundesregierung an gezielten Tötungen unzulänglich.
bb)

Pflichtgemäße Alternativen

Im Hinblick auf die Fehleranfälligkeit von Drohnenangriffen – insbesondere im Fall der sogenannten signature strikes – ist in der Regel von einer Verletzung des Unterscheidungsgebots auszugehen. Bei einer hinreichenden statistischen Evidenz regelmäßiger Verletzungen des Völkerrechts wird eine exekutive Sorgfältigkeitsprüfung aktiviert, die zunächst eine effektive Aufklärungs- und Kontrollverpflichtung über die im Bundesgebiet erfolgenden Vorbereitungs- und Durchführungshandlungen im Drohnenprogramm begründet.
Weiterhin müssen die jeweiligen Fachaufsichten der Bundesministerien und des Bundeskanzleramtes ihre
Genehmigungs- und Anordnungspraxis betreffs der Übermittlung personenbeziehbarer Daten an ausländische Stellen auf eine denkbare Anschlussverwertung für die Vorbereitung gezielter Tötungen hin überprüfen
und durch effektive Maßnahmen sicherstellen, dass diese nach bestem Wissen und Gewissen ausgeschlossen
werden kann.
Damit korrespondiert aus dem Gewaltenteilungsprinzip ein umfassender Informationsanspruch der zuständigen parlamentarischen Gremien des Bundestages bzw. eine Informationspflicht der Bundesregierung sowohl
über die von ihr ergriffenen Maßnahmen als auch über den Stand ihrer Kenntnisse. Schließlich hat die Bundesregierung gegenüber den NATO-Verbündeten dafür Sorge zu tragen, dass die Bundesrepublik außerhalb
ihrer Bündnispflichten nicht an völkerrechtswidrigen Agressionsakten mitwirkt. Dabei kommt ihr zwar ein
großer Gestaltungsspielraum zu, dieser darf im Rahmen einer Gesamtabwägung der außen- und innenpolitischen Interessen sowie dem Interesse der Bundesregierung an einer funktionsgerechten und organadäquaten
Aufgabenwahrnehmung jedoch nicht dazu führen, dass sie sich jeglicher Maßnahmen zum Schutz des Lebens

9057)

9058)

Siehe Neubert, Carl-Wendelin (2016): Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt (Max-PlanckInstitut für ausländisches und internationales Strafrecht), Berlin, Duncker & Humblot, S. 117, Fn. 197; Columbia Law School
(2012): Civilian Impact of Dronhes – Unexamened Costs, Unanswered Questions (Law Clinic Report); Stanford Law School/NYU
School of Law (2012): Living under Drones – Death, Injury, and Trauma to Civilians From US Drone Practices in Pakistan (International Human Rights and Conflict Resolution Clinic/Global Justice Clinic).
So zeigt zum Beispiel der Angriff vom 26. Januar 2015 in Hareeb in der Provinz Shabwa. Bei diesem CIA-Angriff kamen drei
Personen um, von denen höchstwahrscheinlich alle Unbeteiligte waren, darunter auch ein Kind, dazu The Guardian: http://www.theguardian.com/world/2015/feb/10/drones-dream-yemeni-teenager-mohammed-tuaiman-death-cia-strike .

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