Drucksache 18/12850

– 1670 –

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Ein solcher Bezug ist auch in der Rechtsprechung8992 für die Rolle Ramsteins im US-Drohnenkrieg angenommen worden. Damit können sich auch nicht-deutsche Personen auf die Grundrechte des Grundgesetzes
berufen, die als Menschenrechte verbürgt sind und in Folge der Ermöglichung von Drohneneinsätzen über
die Relaisstation Ramstein tangiert werden. Der Schutzbereich des Artikel 2 Absatz 1 GG ist – mindestens
im Wege der völkerrechtsfreundlichen Auslegung der Grundrechte, die einen menschenrechtlichen Charakter
haben – durch die extraterritoriale Wirkung der Grundrechte auch für die im Ausland befindliche Ausländer_innen eröffnet, soweit sie von deutschen Hoheitsakten oder deren pflichtwidriger Unterlassung betroffen
sind.
In erster Linie gilt das für das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG versprochene Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit. Daraus folgt zunächst ein Abwehranspruch gegen den Staat, Handlungen zu unterlassen, die
darauf ausgehen oder im Ergebnis bewirken, dass das Leben eines Menschen konkret gefährdet werden kann
– z.B. die Übermittlung von Telefonnummer, die der Ortung durch Drohnen dienen können. Es kann allerdings auch Schutzansprüche vermitteln, die den Staat aus der Passivität des Unterlassens herausholt und zu
einem aktiven Tätigwerden verpflichtet. Die Reichweite solcher grundrechtlichen Schutzpflichten insbesondere hinsichtlich konkreter Handlungspflichten der Exekutive ist zwar umstritten, klar ist aber, dass ein Untätigbleiben gegen das grundrechtliche Untermaßverbot verstößt.
Im Hinblick auf den Einsatz von Drohnen kommt darüber hinaus eine Verletzung der Menschenwürde in
Betracht, wenn die Betroffenen von Drohnenangriffen dadurch ihrer Subjektstellung beraubt und ohne eigene
Einflussmöglichkeit zum „bloßen Objekt“ hoheitlicher Zwecksetzung und Maßnahmenzurechnung werden8993. So führte das BVerfG im Zusammenhang mit dem für mit der Menschenwürde für unvereinbar erklärten Gesetz zum Abschuss von Passiermaschinen im Falle einer terroristischen Entführung aus:
„Dem Staat ist es im Hinblick auf dieses Verhältnis von Lebensrecht und Menschenwürde einerseits untersagt, durch eigene Maßnahmen unter Verstoß gegen das Verbot
der Missachtung der menschlichen Würde in das Grundrecht auf Leben einzugreifen.
Andererseits ist er auch gehalten, jedes menschliche Leben zu schützen. Diese Schutzpflicht gebietet es dem Staat und seinen Organen, sich schützend und fördernd vor das
Leben jedes Einzelnen zu stellen; das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Anund Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren. Ihren Grund hat auch diese Schutzpflicht in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG, der den Staat ausdrücklich zur Achtung und zum
Schutz der Menschenwürde verpflichtet.“8994
Was konkret Inhalt der staatlichen Schutzpflicht ist, ergibt sich aus dem grundrechtlichen Gefährdungszusammenhang. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Waffengewalt in der Regel zum
absoluten Substanzverlust, nämlich dem Verlust des Lebens führt, weswegen effektive Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahr ergriffen werden müssen. Einfach gesetzlich wird diese Verpflichtung zum Beispiel
in dem Verbot der Übermittlung personenbeziehbarer Daten an ausländische Stellen ausgedrückt, wenn die

8992)
8993)
8994)

VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2015 – 3 K 5625/14 –, juris Rn. 35, in Zeitschrift für Datenschutz 2016, 402-404.
BVerfGE 27, 1 (6); 45, 187 (228); 96, 375 (399), https://www.bverfg.de/e/rs19971112_1bvr047992.html.
BVerfGE 115, 118 (152) m.w.N., https://www.bverfg.de/e/rs20060215_1bvr035705.html

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