Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1555 –
Drucksache 18/12850
Dieser Eingriff bedarf einer speziellen, eng gefassten, formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die den
Geboten der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit genügt.8373 Der BND stützt seine Maßnahmen der strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung auf die §§ 1 Abs. 2 S. 1 und 2 Abs. 1 BNDG8374, sofern er
der Auffassung ist, die Datenerhebung findet im Geltungsbereich des BNDG statt (zur Weltraumtheorie siehe
weiter unten V.9.a)gg)aaa)). Übermittlungen an ausländische öffentliche Stellen stützt er in diesen Fällen auf
§ 9 Abs. 2 BNDG und der sich daraus ergebenden Übermittlungsvorschriften, insbesondere aus dem
BVerfSchG. Das BNDG stellt jedoch keine hinreichende Rechtsgrundlage für solche Beschränkungsmaßnahmen des BND dar.8375 (Vgl. Kapitel V.3) Auch die hin und wieder vorgebrachten Vereinbarungen im
Memorandum of Agreement (MoA) zwischen dem BND und der NSA8376 können keine Rechtsgrundlage
darstellen und den BND nicht von der Einhaltung von Übermittlungsvorschriften entbinden. Dieser bedarf
es explizit, wenn der BND Daten übermittelt, die er durch Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis
erlangt hat.8377 Die Übermittlungen von Aufkommen unterfallen auch hier dem Geltungsbereich des Art. 10
GG und hätten daher ausschließlich auf der Grundlage des Artikel 10-Gesetzes erfolgen dürfen. Mangels
gesetzlicher Eingriffsgrundlage (vgl. Kapitel V.3.b)bb) – Fernmeldegeheimnis als verfassungsrechtlicher
Maßstab) sind die massenhaften Erfassungen und Übermittlungen des BND an die NSA allein schon aus
formellen Gründen eindeutig verfassungswidrig zu werten.
Bundesregierung und BND halten weiter an ihrer Interpretation fest, die in Art. 10 GG verankerte Telekommunikationsfreiheit schütze nur deutsche Staatsbürger_innen und Personen mit Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Da der BND zwischen Daten aus der Ausland-Ausland-Aufklärung und G 10-Daten
unterscheidet und es sich seiner Ansicht nach bei der Metadatenerfassung im Rahmen von EIKONAL und
der Satellitenerfassung in Bad Aibling lediglich um Auslandsverkehre handelt, setzt er hieran, sowie an alle
darauffolgenden Verarbeitungsschritte einschließlich der Übermittlung einen weitaus geringeren rechtlichen
Maßstab. Aufgrund der automatischen Weiterleitung kompletter Metadatenströme und eines mangelhaften
vorgeschalteten Filtersystems konnte der BND die Einhaltung selbst dieses eingeschränkten Schutzbereichs
von Artikel 10 GG nicht garantieren. Die Behauptungen des BND, es handele sich lediglich um ausländische
TK-Verbindungen und personenbezogene Daten deutscher Staatsbürger seien nicht betroffen, sind durch Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses wiederlegt worden. Der BND konnte folglich überhaupt nicht gewährleisten, dass deutsche Staatsbürger und Kommunikationsverbindungen mit Inlandsbezug nicht von der
Datenweitergabe betroffen waren. Er kann sich daher auch nicht nach BND-eigener Rechtsauffassung aus
seiner Verantwortung und der Verpflichtung zur Einhaltung des Grundgesetztes entziehen.
8373)
8374)
8375)
8376)
8377)
Vgl. etwa Huber, NJW 2013, 2572 ff.; Caspar, PinG 2014, H. 1, S. 4 f.; Bäcker, MAT A SV-2/3, S. 16 ff.; Papier, MAT A SV2/2, S. 6 f. und Hoffmann-Riem, MAT A SV-2/1, S. 10 ff., 20.
Vgl. Bundestagsdrucksache 17/9640, S. 6, 10; 17/14739, S. 9, 14; Graulich, MAT A SV-11/2, S. 61 ff.
Vgl. Schaar, Protokoll-Nr. 31 I, S. 27.
T. B., Protokoll-Nr. 24 II, S. 33.
Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ-Extra 15/2016, S. 1
(14), abrufbar unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2016_15.pdf.