Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Drucksache 18/12850

Metadaten geben tiefe Einblicke in das soziale Umfeld von Betroffenen frei und lassen Rückschlüsse auf ihre
individuellen Aktivitäten zu. Die in ihnen enthaltenen Informationen lassen Verhaltensmuster erkennen und
ermöglichen unter anderem die Darstellung von Bewegungsprofilen und sozialen Beziehungsgeflechten. Interpretationen dieser Daten ermöglichen auch Vorhersagen darüber, was eine bestimmte Person als Nächstes
tun wird, oder wo sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhalten wird. Mit ihrer Hilfe lassen sich jedoch
auch soziale Graphen ganzer Gesellschaften erstellen.8343
Der BND leitete die Daten in massenhaftem Umfang an die NSA weiter, mit dem Bewusstsein über ihre
weiten Verarbeitungs- und Analysemöglichkeiten, aber auch mit der fehlenden Kenntnis über ihre tatsächliche Verwendung. So erklärte der Zeuge Breitfelder vor dem Untersuchungsausschuss, dass „diese Daten,
zum Beispiel Routingdaten von Netzwerken und so was, (…) an die NSA [gingen] und die hat damit Netzwerke analysiert und, ja, vielleicht genutzt, um andere Ansätze zu optimieren – keine Ahnung. Das war die
Sache mit den Metadaten.“8344 Doch der frühere NSA- und CIA-Chef Michael Hayden formulierte bei einem
Podium in der John-Hopkins-Universität Baltimore am 1. April 2014 die Bedeutung für Arbeit der NSA
öffentlich und sehr klar: „We kill people based on metadata.“8345
cc)

Rechtswidrigkeit aufgrund fehlender Dateianordnungen

Aufgrund fehlender Dateianordnungen ist bereits die Datenerfassung rechtswidrig. Sämtliche daran anschließenden Verwendungen und Übermittlungen sind folglich allein deshalb schon rechtswidrig.
Gemäß § 6 S. 1 BNDG ist der BND ausdrücklich dazu verpflichtet, über jede automatisierte Datei mit personenbezogenen Daten eine Dateianordnung nach § 14 BVerfSchG zu führen und hierin unter anderem den
Zweck und die Art der Datenerhebungen sowie Voraussetzungen der Speicherung, Übermittlung und Nutzung zu definieren (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 3 BVerfSchG). Bei Dateianordnungen handelt es sich um „relativ
umfängliche, detaillierte Beschreibungen, was Sinn und Zweck der Datenbank ist, wer Zugriff haben soll, in
welchem Umfang er Zugriff haben soll, welche Personen gespeichert werden sollen, wie die Technik ist, was
für eine Datenbanktechnik dahinter liegt. Es bedarf also einer sehr intensiven Abstimmung mit dem Bedarfsträger.“8346 Sinn und Zweck solch „verfahrenstechnischer und verfahrensrechtlicher Schranken“ ist die Sicherstellung, „daß die gespeicherten personenbezogenen Daten nicht über das für die Aufgabenerfüllung
erforderliche Maß verwendet, weitergegeben oder aufbewahrt werden“.8347
Der BND jedoch hielt sich nicht an diese gesetzliche Vorschrift. Er errichtete und verwendete mindestens
sieben automatisierte Dateien i. S. v. § 11 BNDG i. V. m. § 46 Abs. 1 Nr. 1 BDSG ohne eine solche Anordnung. Dies betraf in Bad Aibling die Dateien VERAS 4, VERAS 6, XKEYSCORE, TND, SCRABBLE,
INBE und DAFIS. Hierbei handelt es sich um Dateien, die der BND nutzte, um unter anderem in großem

8343)
8344)
8345)
8346)
8347)

Deutscher Bundestag, Wissenschaftlicher Dienst, Ausarbeitung „Verfassungsfragen des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes“, WD 3 – 3000 – 194/16, S. 12.
Breitfelder, Protokoll-Nr. 28 I, S. 66
Video abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=kV2HDM86XgI, ab Minute 18:00.
H. F., Protokoll-Nr. 16 I, S. 32; Bedarfsträger sind z. B. die Bereiche des BND, in denen die Auswertung der Daten zu bestimmten
Themengebieten stattfindet.
Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes,
Bundestagsdrucksache 11/4306, S. 62.

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