Drucksache 18/12850
– 1490 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
unrichtigen Rechtsauffassung über die vermeintliche Verpflichtung zur Ausleitung der Daten, kann von einer
gewissenhaften Prüfung nicht die Rede sein. Der Konzern könnte daher von seinen Vertragspartnern wegen
Schlechtleistung bezüglich der Übermittlung privater Daten auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Soweit lediglich der Transitverkehr und damit regelmäßig keine direkten Kund_innen der in der Bundesrepublik Telekommunikationsverkehre von Dienstleistern, denen die Telekom ihr Netz zur Verfügung
stellt (sog. Carriers8071) betroffen waren, kommt eine vertragsrechtliche Haftung der Telekom zumindest gegenüber diesen Carriern in Betracht. Darüber hinaus könnten die Betroffenen einer Datenausleitung gegenüber der Telekom deliktische Ansprüche wegen unerlaubter Handlung geltend machen (§ 823 Abs. 2 BGB
i. V. m. § 88 Abs. 3 TKG und § 206 StGB).8072
Der Zeuge Köbele gab an, sich keinerlei Gedanken über Vertragsstrafen gemacht zu haben.8073
„Was nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist, das müssen sich
die Vertragspartner schon gefallen lassen.“8074
Allerdings waren solche haftungsrechtlichen Risiken und vertraglichen Absprachen an anderer Stelle im Vorlauf zum Frankfurter Abgriff durchaus maßgebend für eine Entscheidung gegen Überwachungsmaßnahmen
an einem anderen Abgriffspunkt in Deutschland.8075
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Ricke bestätigte vor dem Ausschuss allgemein mögliche Regressansprüche von Resellern bezüglich einer Weitergabe ihrer Daten:
„Da gehe ich jetzt von aus, ja.“8076
Die Zeugen gaben einhellig an, dass die Telekom über die Beteiligung der NSA an EIKONAL nicht informiert wurde. Der BND-Zeuge S. L. gab an, dass es Bestandteil des Transit-Vertrags gewesen sei, „dass wir
über die Interna des Betreibers nichts nach außen dringen lassen.“8077
ee)
Vom Leerlaufen der Telekom-Policy zum Datenschutz
Die Telekom ist gegenwärtig sehr um die Schaffung von „Vertrauensräumen“ bemüht. In ihren aktuellen
Verlautbarungen verspricht sie einen weltweit einheitlichen Datenschutzstandard, der jedenfalls dem deutschen Recht entspricht.8078 Vorausgesetzt, diese Policy hätte sich die Telekom auch schon zwischen 2004 und
8071)
8072)
8073)
8074)
8075)
8076)
8077)
8078)
Vgl. Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Carrier, abrufbar unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/75651/carrier-v8.html (Abrufdatum 16. Mai 2017).
Vgl. deliktische Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m § 88 TKG, § 826 BGB sowie vertragliche Schadensersatzansprüche, § 44
TKG, § 7 BDSG; zum grundrechtlichen Schutz der Provider: Hans-Jürgen Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ – Extra 15/2016, S. 1 (4), abrufbar unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2016_15.pdf: „Die Effizienz und die Geltungskraft des Grundrechts aus Art. 10 Abs. 1 GG hängen heute
mehr denn je davon ab, dass sich auch Telekommunikationsdienstleister auf das Grundrecht aus Art. 10 GG berufen können, selbst,
wenn sie nicht eigene Informationen übermitteln.“
Dr. Köbele, Protokoll-Nr. 33 I, S. 126; ohne explizitem Wissen zum Thema Carrier Sales, vgl. S. 148.
Dr. Köbele, Protokoll-Nr. 33 I, S. 140.
Näheres dazu in Alster, Protokoll-Nr. 30 II (Tgb.-Nr. 177/15 – GEHEIM), S. 11.
Ricke, Protokoll-Nr. 26 I, S. 112; vgl. dazu § 18 f Privacy Code of Conduct, in Deutsche Telekom AG, Datenschutzbericht 2009, S.
48.
S. L., Protokoll-Nr. 26 I, S. 47.
„Auf Grundlage der europarechtlichen Vorgaben und der Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes führte die Deutsche Telekom
bereits im Jahr 2004 den Privacy Code of Conduct als unternehmensinterne Regelung zum Datenschutz im Konzern ein. Der Privacy
Code of Conduct regelt die internen Anforderungen an den Umgang mit personenbezogenen Daten weltweit einheitlich.“ (Deutsche
Telekom AG, Datenschutzbericht 2009, S.30 ff., Anhang 3, § 17 ff. Privacy Code Of Conduct., der inhaltlich den Festlegungen von
2004 entsprechen dürfte). Heute lesen wir: „Datenschutz ist für uns nicht nur Pflicht, sondern ein besonders wichtiges Anliegen.