Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– 1489 –

Drucksache 18/12850

Lange vor den erst im Rahmen der vorstehend wiedergegebenen Zeugenbefragungen getroffenen Feststellungen hatte der ehemalige Präsident des BVerfG, Hans-Jürgen Papier, der als Sachverständige vom Ausschuss gehört worden war, in seinem Gutachten die staatliche Pflicht betont, wirksame Sanktionen gegen
unberechtigte Datenweitergabe vorzuhalten:8064
„Würden auch schwere Verletzungen des Telekommunikationsgeheimnisses im Ergebnis sanktionslos bleiben mit der Folge, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts,
auch soweit er in Art. 10 Abs. 1 GG eine spezielle Ausprägung gefunden hat, angesichts der immateriellen Natur dieses Rechts verkümmern würde […], widerspräche
dies der Verpflichtung der staatlichen Gewalt, dem Einzelnen die Entfaltung seiner
Persönlichkeit zu ermöglichen […] und ihn vor Persönlichkeitsgefährdungen durch
Dritte zu schützen.“8065
Um das zu erreichen, hätten im Hinblick auf die kurze Verjährungsfrist von fünf Jahren8066 schon frühzeitig
intensive Ermittlungen auch im Arkanbereich der Telekom unternehmen müssen. Dies zeigt ein vom Untersuchungsauftrag des Ausschusses unabhängiger Fall, in dem ein leitender Mitarbeiter der Telekom-Konzernsicherheit letztinstanzlich vom BGH u. a. wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, ohne dass die strafrechtliche Verantwortung des Konzernvorstandes abschließend geklärt werden konnte.8067 In diesem Zusammenhang hatten Verantwortliche auch Schadensersatz
an die Telekom zu zahlen.8068
Im untersuchungsgegenständlichen Verfahren wurden am 19. Mai 2015 in Luxemburg und Österreich Strafanzeigen erstattet. Diese wurden nach Presseberichterstattung Gegenstand von Gesprächen zwischen dem
österreichischen Außenminister Sebastian Kurz und dem Zeugen Frank-Walter Steinmeier.8069 Es bleibt abzuwarten, ob und welche Konsequenzen aus diesen Anzeigen folgen.
bbb) Zivilrechtliche Haftung
Die privatrechtlichen Verträge mit ihren Kund_innen verpflichten den Betreiber, insbesondere mit Blick auf
die Vertraulichkeit von Telekommunikationsvorgängen und Geschäftsgeheimnissen, zu einer gewissenhaften Prüfung, ob die jeweiligen Übermittlungs-, Ausleitungs- und sonstige Überwachungsvoraussetzungen
vorliegen. Diese Verantwortung ist durch die Geheimhaltung der Maßnahmen noch erhöht, da die Kund_innen auf den Schutz ihrer Daten durch die Anbieter angewiesen sind.8070 Angesichts der nicht nur fahrlässig
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Papier, MAT A SV 2/2, S. 9
BVerfGE 125, 260-385, http://www.bverfg.de/e/rs20100302_1bvr025608.html, Rn. 252 m.w.N.
Die nach § 205 Abs. 1 StGB bestehende Notwendigkeit eines Strafantrags durch die Betroffenen der Verletzung der Vertraulichkeit
des Wortes ist für die schon damals einschlägige verschärfte Strafbarkeit von Amtsträgern nach § 201 Abs. 3 StGB nicht einschlägig, da die Betroffenen regelmäßig keine Kenntnis von der Maßnahme haben.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012, Az. 2 StR 591/11 in NJW 2013, S. 401-404.
Financial Times Deutschland, Telekom-Affäre endet glimpflich für Ricke und Zumwinkel, 1. April 2011, Archivierung vom 25.
Juli 2012 im Internet Archive, unter: https://web.archive.org/web/20120725124137/http://m.ftd.de/artikel/60033794.xml?v=2.0
(Abrufdatum 16. Mai 2017).
Andre Meister, Mitschnitt Pressekonferenz: Strafanzeige gegen BND und Telekom wegen „Ausspähen unter Freunden“ eingereicht,
19.Mai 2015, abrufbar unter: https://netzpolitik.org/2015/mitschnitt-pressekonferenz-strafanzeige-gegen-bnd-und-telekom-wegenausspaehen-unter-freunden-eingereicht/ (Abrufdatum 16. Mai 2017).
Vgl. Hans-Jürgen Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, NVwZ –
Extra 15/2016, S. 1 (4), abrufbar unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2016_15.pdf: „Von strategischen Beschränkungen können überhaupt nur die in Anspruch genommenen Telekommunikationsdienstleister erfahren, für die eigentlichen
Teilnehmer des Telekommunikationsverkehrs bleiben sie in aller Regel unbekannt.“

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