Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
– 1435 –
Drucksache 18/12850
gesetzliche Verbote zu umgehen. Was nach dieser Definition bliebe, sind große Mengen von kollateral abgefangenen Daten, sog. „incidental collection“ welche dann weder ungezielte „bulk collection“ noch gezielte
Überwachung sei und damit weder den gesetzlichen Beschränkungen der einen, noch der anderen Sammlung
und Speicherung der Daten unterfällt.
PRISM beinhaltet nach dieser Definition keine „unbegrenzte Massenüberwachung“, da die Service Provider
zuvor diejenigen Kommunikationsdaten herausfilterten, welche für die Sicherheitsdienste relevant sind und
gemäß des Vierten Zusatzartikels rechtmäßig erhoben werden durften. Vor dem Hintergrund der obigen Auslegung des Begriffs der Massenüberwachung würden hier „gezielt“ massenhaft und weltweit Internetnutzer
erfasst und kollateral weitere Massen an Kommunikationsdaten von Dritten abgeschöpft.
Die massenhafte Abschöpfung von Kommunikationsdaten im Rahmen des Programs Upstream erfolgt mittels Selektoren, welche den Telekommunikationsunternehmen durch die NSA zugeleitet werden. Hier wird
die Problematik, dass eine Zuordnung der Kommunikationsdaten unter den Anwendungsbereich des Vierten
Zusatzartikels der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika kaum erfolgen kann und die massenhafte
kollaterale Abschöpfung von Daten Dritter noch deutlicher. Der Abfang sämtlicher Daten ist weder ungezielt,
noch handelt es sich bei mittels Selektoren „vorgefilteren“ Abgriffen um eine Art der Überwachung, welche
nicht die Charakteristika einer Massenüberwachung hat. Vielmehr kann von Massenüberwachung immer
dann gesprochen werden,
„wenn Daten über eine große Zahl von Personen gleich vollständig ganze Datenstöme „roh“ oder
etwa bzw. mit Hilfe weit gefasster Selektoren erhoben werden, die potentiell auch Personen erfassen
können, gegen die keine individualisierten Verdachtsmomente vorliegen.“ 7794
Der FISC, dem die gerichtliche Kontrolle der Anordnungen zur massenhaften Überwachung oblag, war lange
Zeit als „Rubber Stamp Court“ verschrien, da er zwischen 1979 und 2012 99,97% der Behördenanträge positiv beschieden hatte.7795 Lediglich 2011 wurde eine Entscheidung veröffentlicht, in welcher Judge Bates
Teile des UPSTREAM-Programms für verfassungswidrig hielt, da die NSA nicht einmal versuchene, die vom
Vierten Zusatzartikel geschützte Kommunikation auszusondern.7796
In einer weiteren Entscheidung des FISC vom 26. April 20177797 wurde diese Bewertung bestätigt. Das Geheimgericht hatte während des Verfahrens gravierende Bedenken gegenüber der verfassungsmäßigkeit des
Programms zum direkten Kabelzugriff der NSA geäußert, welches die sogenannte „about collection“ beinhaltet. Bei der „about collection“ würden auch die Kommunikationsdaten im Schutzbereich des Vierten Zusatzartikels gesammelt, lediglich weil sie in einer Zielkommunikation erwähnt würden, ohne Sender oder
Empfänger zu sein. Die Selektoren und Minimalisierungsregeln der NSA seien zu unspezifisch, als dass
sichergestellt werden könnte, dass es sich bei den dabei mitgesammelten Daten Dritter tatsächlich um eine
„Incidental Collection“ handele.
7794)
7795)
7796)
7797)
Thomas Wischmeyer, Überwachung ohne Grenzen – Zu den rechtlichen Grundlagen nachrichtendienstlicher Tätigkeiten in den
USA, Nomos 2017, S. 16.
Thomas Wischmeyer, Überwachung ohne Grenzen – Zu den rechtlichen Grundlagen nachrichtendienstlicher Tätigkeiten in den
USA, Nomos 2017, S. 29.
Foreign Intelligence Surveillance Court, Memorandum Opinion, Docket No. [Redacted] (FISC October 3, 2011) (Bates, J.).
Foreign Intelligence Surveillance Court, Memorandum Opinion and Order, Docket No. [Redacted] (FISC April 26, 2017) (Collyer,
R. M.).