Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
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Drucksache 18/12850
deutsche Telekommunikationsmerkmale) und ein weiteres Zehntel Deutsche im Nicht-EU-Ausland.
Im niedrigen einstelligen Prozentbereich seien EU-Institutionen betroffen sowie rund 40 deutsche Vertretungen. Deutsche Regierungsstellen oder Politiker seien nicht in der Liste.
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Zumeist seien Regierungsstellen von EU-Mitgliedsländern betroffen gewesen. Das MoA lasse jedoch
die Aufklärung europäischer Ziele nur in stark eingeschränktem Maße zu.
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Unter der Gruppe der betroffenen Grundrechtsträger habe sich eine erhebliche Anzahl befunden, die
auf wirtschaftlich tätige Unternehmen mit Sitz in Deutschland oder deutschem Ursprung gerichtet waren. Diese Selektoren sind jedoch nach Ansicht von Dr. Graulich nicht pauschal der Rubrik (versuchte) Wirtschaftsspionage zuzuordnen, weil Anhaltspunkte für eine solche Aufklärungsintention
seitens der NSA nicht bestehen und weitere Erklärungsansätze denkbar seien.
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Aufgrund der Inkompatibilität der NSA- und BND-Datenbanken habe der BND bei den Internetselektoren (der größten Gruppe) nicht ersehen können, mit welcher Begründung die NSA einen Selektor
eingesteuert hatte. Die fehlende Begründung hat aus Sicht der unabhängigen sachverständigen Vertrauensperson erhebliche rechtliche Bedeutung, da der BND in solchen Fällen keine ernsthafte Prüfung
vornehmen habe können, ob übermittelte Selektoren mit den Kooperationszielen des MoA in Einklang
standen. Zugleich ließ sie keine Rückschlüsse darauf zu, warum Selektoren eingesteuert werden sollten, die Unternehmen betrafen (denkbar etwa Proliferation, Waffenhandel, Kontakt von Mitarbeitern
mit Terrorverdächtigten oder wirtschaftlicher Vorteil).
Die Verstöße gegen das MoA seien bündnispolitisch nicht unproblematisch. Denn die NSA habe auf diese
Weise – ob fahrlässig oder vorsätzlich müsse dahingestellt bleiben – möglicherweise nachrichtendienstliche
Aufklärung gegen Mitgliedsländer der Europäischen Union unter Beteiligung des BND versucht. Die NSA
habe sich damit nicht nur vertragswidrig verhalten, sondern auch die deutsche Position gegenüber seinen
europäischen Partnern potentiell gefährdet. Auch mit Blick auf den BND müsse der Einsatz dieser Selektoren
als schwere Fehlleistung eingeordnet werden.
Ob eine strategische Kooperation in Bad Aibling unter diesen Bedingungen nicht hätte durchgeführt werden
dürfen, bleibe nach Auffassung von Dr. Graulich eine hypothetische Frage. Denn auch wenn für die deutsche
Seite die vereinbarte volle Transparenz nicht gegeben und damit die Vertragskonformität der Erfassung zu
einem großen Teil gar nicht beurteilbar war, hätte eine akribischere Prüfung und Abstimmung mit dem Partner das Problem eindämmen oder verhindern können.
Die eigene Selektoren-Filterung des BND in Bad Aibling war jedoch allein auf den Schutzraum der deutschen
Rechtsordnung ausgerichtet und nicht auf den der europäischen. Zur Vermeidung der vollständigen Ablehnung hätten die europäische Ziele betreffenden Selektoren dann dem BND von der NSA zum Zweck der
Prüfung auf MoA-Konformität vorab einzeln zugeleitet werden müssen. Das hätte zumindest bis zum Ende
der JSA-Zusammenarbeit in Bad Aibling im Jahr 2012 auch kein Problem sein dürfen, hätte allerdings ein
begründetes Misstrauen gegenüber dem vertragswidrigen Verhalten der NSA vorausgesetzt, das in diesem
Zeitraum aber nicht bestand und auch nicht bestehen musste, weder beim BND noch beim Kanzleramt.