Drucksache 18/12850
bb)
– 1132 –
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Sicht des Generalbundesanwalts
In seiner Einstellungsverfügung vom 16. April 2010 zum Verfahren 3 BJs 6/10-4 gegen Angehörige der
Bundeswehr im Zusammenhang mit der Genehmigung eines Luftangriffs nahe des afghanischen Kunduz am
4. September 2009 führte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) zum Charakter der Auseinandersetzung in Afghanistan aus:
„In Afghanistan liegt ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches (§§ 8 ff. VStGB) und des humanitären Völkerrechts vor.“6481
Um einen solchen zu bejahen, müsse eine Auseinandersetzung von einer gewissen Intensität zwischen einer
Staatsgewalt und Gruppierungen oder Organisationen innerhalb eines Staatswesens oder zwischen verschiedenen Gruppierungen innerhalb eines Staates festgestellt werden.6482
„Nach allgemeiner Meinung ist die Schwelle vom innerstaatlichen Friedenszustand
zum nichtinternationalen bewaffneten Konflikt überschritten, wenn nicht mehr lediglich Fälle innerer Unruhen und Spannungen vorliegen, die durch Tumulte und vereinzelt auftretende Gewalttaten gekennzeichnet sind […]. Es muss sich vielmehr um eine
mit Waffengewalt ausgetragene Auseinandersetzung innerhalb eines Staatsgebiets
handeln, die das Ausmaß eines bewaffneten Aufstandes oder eines Bürgerkrieges erreicht.“6483
Nach diesen Kriterien seien die aufständischen Taliban in Afghanistan und mit ihnen assoziierte Gruppen
völkerrechtlich als Konfliktpartei einzustufen.6484
Bei dieser Einschätzung verblieb der GBA auch in seiner Verfügung vom 20. Juni 2013 zum Aktenzeichen
3 BJs 7/12-4, mit der er ein von Amts wegen eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen unbekannt im Zusammenhang mit der Tötung deutscher Staatsbürger durch einen US-Kampfdrohneneinsatz am 4. Oktober 2010
in Pakistan [näher dazu unter H.I.5.b)] ablehnte.6485 Für die Bejahung eines bewaffneten Konflikts komme
es ausschließlich auf die tatsächlichen Gegebenheiten und nicht auf eine etwaige formelle Kriegserklärung
oder politische Willensbekundung der Konfliktparteien an.6486 Maßgeblich sei vielmehr das faktische Vorliegen einer Auseinandersetzung von gewisser Intensität und Dauer, bei der entsprechende Konfliktakteure
gegenseitig Waffengewalt einsetzen.6487 In der Verfügung heißt es weiter:
„Jedoch bedarf der Begriff des bewaffneten Konflikts bei Beteiligung nicht-staatlicher
Gruppen einer Abgrenzung zu gewöhnlicher Kriminalität, unorganisierten und kurzlebigen Aufständen oder singulären terroristischen Aktivitäten. Voraussetzung ist daher neben einer gewissen Intensität und Dauer der gewaltsamen Auseinandersetzung
auch ein bestimmter Organisationsgrad der beteiligten Konfliktparteien, der sie dazu
6481)
6482)
6483)
6484)
6485)
6486)
6487)
Einstellungsverfügung des GBA vom 16. April 2010 zum Aktenzeichen 3 BJs 6/10-4, MAT A GBA-5c, Bl. 158 (198).
Einstellungsverfügung des GBA vom 16. April 2010 zum Aktenzeichen 3 BJs 6/10-4, MAT A GBA-5c, Bl. 158 (198).
Einstellungsverfügung des GBA vom 16. April 2010 zum Aktenzeichen 3 BJs 6/10-4, MAT A GBA-5c, Bl. 158 (199).
Einstellungsverfügung des GBA vom 16. April 2010 zum Aktenzeichen 3 BJs 6/10-4, MAT A GBA-5c, Bl. 158 (200).
Einstellungsverfügung des GBA vom 20. Juni 2013 zum Aktenzeichen 3 BJs 7/12-4, MAT A GBA-5c, Bl. 122 (138 ff.).
Einstellungsverfügung des GBA vom 20. Juni 2013 zum Aktenzeichen 3 BJs 7/12-4, MAT A GBA-5c, Bl. 122 (138).
Einstellungsverfügung des GBA vom 20. Juni 2013 zum Aktenzeichen 3 BJs 7/12-4, MAT A GBA-5c, Bl. 122 (138).