Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Drucksache 18/12850

„Das angesprochene sogenannte „targeted killing“ im Rahmen von ISAF-Operationen
in Afghanistan im Verständnis einer gezielten Bekämpfung von Personen mit tödlich
wirkender Gewalt ist völkerrechtlich nicht ausgeschlossen. Denn in einem bewaffneten Konflikt dürfen feindliche Kämpfer auch außerhalb der Teilnahme an konkreten
Feindseligkeiten auf der Grundlage des humanitären Völkerrechts gezielt bekämpft
werden, was auch den Einsatz tödlich wirkender Gewalt einschließen kann.“6449
Der Zeuge Stefan Sohm, seit Januar 2013 Leiter des Völkerrechtsreferats des BMVg6450, hat diese rechtliche
Auffassung vor dem Ausschuss bestätigt und sich wie folgt geäußert:
„In einem bewaffneten Konflikt ist grundsätzlich jedes militärische Handeln, das der
Erfüllung militärischer Zielsetzungen dient, zulässig, sofern es nicht ausdrücklich
durch konkrete Regelungen des Humanitären Völkerrechts untersagt ist. Umgekehrt
ist es natürlich in Bereichen außerhalb bewaffneter Konflikte, wo wir jetzt nach nationalem Sprachgebrauch eher von polizeirechtlichen Kategorien ausgehen – im internationalen Bereich spricht man dann von sogenannten Law-Enforcement-Operationen,
die also außerhalb des Rechts des bewaffneten Konfliktes liegen –, dann eigentlich die
unterschiedliche Kategorie, dass wir eher sagen: Hoheitliche Eingriffe, insbesondere
Grundrechtsbeeinträchtigungen, sind dann zulässig, wenn dafür eine besondere Ermächtigungsgrundlage besteht.“6451
Diese Unterscheidung gelte es grundsätzlich auch bei Drohnenangriffen zu treffen.6452
Auch nach Auffassung des u. a. für Völkerrecht zuständigen Referats6453 V I 4 des Bundesministeriums des
Innern (BMI) ist für die Beurteilung der völkerrechtlichen Zulässigkeit einer gezielten Tötung durch Drohnenangriffe entscheidend, ob sich diese innerhalb eines bewaffneten Konflikts ereignet oder nicht.6454 Zudem
komme es auf die Faktenlage im Einzelfall an.6455 Außerhalb eines bewaffneten Konflikts würden die allgemeinen Menschenrechtsstandards gelten, mit der Folge, dass es einer Rechtsgrundlage für eine gezielte Tötung bedürfe, die für das Gebiet von Afghanistan im ISAF-Mandat der VN liegen könne, im Übrigen im
Selbstverteidigungsrecht gemäß Art. 51 der VN-Charta, was allerdings in jedem Einzelfall einen bewaffneten
Angriff durch das Ziel erfordere.6456 Der mit einem Drohnenangriff in der Regel verbundene Eingriff in die
territoriale Integrität eines anderen Staates könne durch Zustimmung dieses Staates gerechtfertigt sein oder
dadurch, dass dieser das Agieren nichtstaatlicher Akteure von seinem Staatsgebiet aus nicht unterbinden
könne oder wolle.6457 Im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt, wozu auch der Konflikt in Afghanistan

6449)
6450)
6451)
6452)
6453)
6454)
6455)
6456)
6457)

Zuarbeit des Referats R I 3 des BMVg vom 25. Mai 2012 zur Verwaltungsstreitsache des VG Köln 13 K 2822/12, MAT A BMVg3/5c_7, Bl. 6 (7).
Sohm, Protokoll-Nr. 86 I, S. 88.
Sohm, Protokoll-Nr. 86 I, S. 91.
Sohm, Protokoll-Nr. 86 I, S. 92.
Organigramm des BMI vom 4. Juni 2010, MAT A BMI-4a, Bl. 34.
Vermerk zur völkerrechtlichen Bewertung des Referats V I 4 des BMI vom 1. November 2010, MAT A BfV-21/1, Bl. 5.
Vermerk zur völkerrechtlichen Bewertung des Referats V I 4 des BMI vom 1. November 2010, MAT A BfV-21/1, Bl. 5.
Vermerk zur völkerrechtlichen Bewertung des Referats V I 4 des BMI vom 1. November 2010, MAT A BfV-21/1, Bl. 5 (Bl. 6).
Vermerk zur völkerrechtlichen Bewertung des Referats V I 4 des BMI vom 1. November 2010, MAT A BfV-21/1, Bl. 5 (6 f.).

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