9.1.2 Weitere Rechtssetzungsvorhaben im Ausländerund Asylrecht
Im Berichtszeitraum gab es in diesem Bereich zahlreiche weitere Regelungsvorhaben, allen voran das Gesetz
zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, mit
dem u. a. die Möglichkeit zur Auswertung von Datenträgern zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit im Asylgesetz verankert wurde.
Diese unter dem Begriff der „Handydatenauswertung“
bekannt gewordene Befugnis des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe ich scharf
kritisiert. So habe ich insbesondere darauf hingewiesen,
dass die Erforderlichkeit für diesen Grundrechtseingriff
nicht ersichtlich und die Maßnahme zudem unver‑
hältnismäßig ist. Die beim Auslesen der Datenträger
gewonnenen Informationen lassen keinen verlässlichen
Rückschluss auf die tatsächliche Herkunft des Besitzers
zu. Die Angaben können somit allenfalls ein schwa‑
ches Indiz sein. Die Anhörung des Geflüchteten und
die individuelle Entscheidung durch einen Mitarbeiter
des BAMF kann hierdurch nicht ersetzt werden. Ob die
durch das Auslesen eines Datenträgers gewonnenen In‑
formationen hierbei einen echten Mehrwert darstellen,
habe ich bezweifelt. Meine Bedenken wurden letztlich
jedoch nicht aufgegriffen. Von der praktischen Um‑
setzung der Regelung konnte ich mir bei mehreren Kont‑
rollbesuchen beim BAMF ein erstes Bild machen (vgl. u.
Nr. 9.3.1). Wegen der unterschiedlichen Auslegung der
gesetzlichen Grundlagen zu den Voraussetzungen für die
Nutzung der ausgelesenen Daten stehe ich derzeit mit
dem BAMF in Kontakt.
9.1.3 Neue Polizeigesetze braucht das Land –
aber welche?
Nachdem die Richtlinie für den Datenschutz im Polizeiund Justizbereich (JI-Richtlinie) im Jahr 2016 in Kraft
getreten ist, sind die Gesetzgeber in Bund und Ländern
aktiv geworden. Bereits im letzten Tätigkeitsbericht habe
ich über das neue Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) berichtet, das inzwischen in Kraft getreten ist. Es darf aber
nicht in Vergessenheit geraten, dass die Innere Sicherheit eigentlich in der Kompetenz der Bundesländer liegt.
Der Bund hat nur eine ergänzende und das Bundeskriminalamt (BKA) nur eine koordinierende Funktion. Das
Bundespolizeigesetz (BPolG) wurde geändert, ohne aber
die Richtlinie umzusetzen. Ein entsprechender Entwurf
dafür wurde für Anfang 2019 angekündigt.
Bundeskriminalamtgesetz – kleine Nachlese
Das neue BKAG ist im Mai 2016 in Kraft getreten (vgl.
26. TB Nr. 10.2.9.1). Es war unter hohem Zeitdruck
durchgesetzt worden, weshalb für ausführliche inhalt‑
liche Diskussionen im parlamentarischen Raum wenig
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Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2017 und 2018

Zeit blieb. Gerade das gegen mein Votum geregelte neue
Informationssystem – ein zentrales Informationssystem
war auch schon nach altem Recht erlaubt – wurde wäh‑
rend der Verhandlungen als höchst dringlich dargestellt.
Umso mehr verwundert es, wenn es jetzt in der Praxis
plötzlich nicht mehr so eilig ist (vgl. dazu Nr. 9.2.4). Auf‑
genommen wurde immerhin meine Forderung, auf die
sog. Mitziehautomatik bei Aussonderungsprüffristen zu
verzichten (vgl. auch 26. TB Nr. 10.2.9.1).
Die Polizeibehörden der Länder benötigen das BKA als
eine gut funktionierende Zentralstelle. Dazu muss dieses
koordinieren und gegebenenfalls auf einen zielgerich‑
teten, effektiven Informationsaustausch zwischen den
zuständigen Polizeibehörden hinwirken. Daran ist auch
aus Sicht des Datenschutzes nichts zu kritisieren. Es darf
aber dabei nicht aus dem Blickfeld geraten: Die Zentral‑
stellenaufgabe ist begrenzt (vgl. dazu auch Nr. 9.3.6 f.).
Gefahrenabwehr bleibt Aufgabe der Länder. Deshalb ist
es auch aus Datenschutzsicht kritisch zu hinterfragen,
wenn immer mehr Aufgaben und Befugnisse Bundesbe‑
hörden zugewiesen werden sollen. Dies führt zu mehr
Datenverarbeitung an zentraler Stelle. Sicherheit wird
aber nicht hauptsächlich im Bund und vor allem nicht
durch umfangreiche zentrale Datenbestände produziert.
Generell stellt sich die Frage: Führen neue und umfas‑
sendere Befugnisse zu mehr Sicherheit? Viel zu wenig
wird die Frage gestellt, ob die Polizeibehörden in der
Praxis gut aufgestellt sind oder ob Vollzugsdefizite beste‑
hen. Hier hilft gesetzgeberischer Aktionismus nicht.
Bundespolizeigesetz
Für den Bereich der Bundespolizei wurde die JI-Richtli‑
nie noch nicht umgesetzt, so dass die Umsetzungsfrist
versäumt wurde. Ein entsprechender Entwurf wurde
zwar angekündigt, lag aber zum Redaktionsschluss noch
nicht vor.
Geändert wurde das BPolG aber durch das „Gesetz zur
Verbesserung der Fahndung bei besonderen Gefahrenla‑
gen und zum Schutz von Beamtinnen und Beamten der
Bundespolizei“. Eingeführt wurde damit die sog. Body‑
cam für die Bundespolizei. Hier wurden einige meiner
Anmerkungen in der Ressortberatung berücksichtigt.
Mir war zum Beispiel folgender Punkt wichtig: Wenn die
Kameras schon eingesetzt werden, dann nicht nur zu
Lasten, sondern auch zum Nutzen der Betroffenen. Die
erhobenen Daten können nicht nur zur Strafverfolgung
eingesetzt werden. Die von Maßnahmen betroffenen
Bürger können ebenfalls verlangen, dass die Aufnahmen
zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Polizeieinsätzen
genutzt werden. Kritisch habe ich auch den von der
Bundespolizei genutzten Speicher- und Verarbeitungs‑
ort für die Bodycamdaten hinterfragt. Zur Speicherung
und Verarbeitung der Daten werden die Cloud-Server

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