9
Ausschuss für Inneres und Heimat
9.1 Aus den Gesetzgebungs
vorhaben
9.1.1 Zweites Datenaustauschverbesserungsgesetz
Die fortlaufenden Änderungen des Ausländer- und
Asylrechts begegnen – teils erheblichen – Bedenken
aus Datenschutzsicht.
Nachdem bereits im Jahr 2016 mit dem Datenaustausch‑
verbesserungsgesetz zahlreiche datenschutzrechtlich
bedeutsame Änderungen ausländer- und asylrechtlicher
Vorschriften vorgenommen wurden, hat die Bundesre‑
gierung im Berichtszeitraum mit dem Entwurf für ein
zweites Datenaustauschverbesserungsgesetz ein Geset‑
zesvorhaben vorgelegt, mit dem erneut tiefgreifende
Veränderungen einhergehen.
Mit Sorge sehe ich dabei vor allem die fortschreitende
Aufweichung des Verbots der unbeschränkten Nutzung
der AZR-Nummer. Aus meiner Sicht wird hierdurch
schrittweise ein einheitliches Personenkennzeichen
geschaffen.
Bereits in seiner Volkszählungsentscheidung vom
15. Dezember 1983 (BVerfGE 65, 1) hat das Bundesver
fassungsgericht die Gefahr einer umfassenden Regist‑
rierung und Katalogisierung der Persönlichkeit durch
die Zusammenführung einzelner personenbezogener
Informationen zur Erstellung von Persönlichkeitspro‑
filen erkannt und deshalb die Einführung einheitlicher
Personenkennzeichen oder sonstiger Ordnungsmerk‑
male als unzulässig qualifiziert. Auch wenn Stimmen in
der Literatur und Praxis eine solche Gefahr im Falle der
unbeschränkten Nutzung der AZR-Nummer nicht sehen
wollen, können die verfassungsrechtlichen und verfas‑
sungsgerichtlichen Vorgaben nicht außer Acht gelassen
werden.
Nach den Plänen der Bundesregierung soll das Auslän‑
derzentralregister (AZR) perspektivisch zu einem zentra‑
len Ausländerdateisystem weiterentwickelt werden (vgl.
BT-Drs. 19/5791, S. 11). Der Umfang der im AZR gespei‑
cherten personenbezogenen Daten soll ebenso erweitert
werden wie die Zugriffsmöglichkeiten im automatisier‑
ten Verfahren. Immer mehr Behörden sollen für immer
mehr Zwecke Zugriff erhalten. War das AZR zunächst in
erster Linie zur Unterstützung ausgewählter Behörden
bei der Durchführung ausländer- und asylrechtlicher
Vorschriften insbesondere in Fragen der Einreise und
des Aufenthalts gedacht, sind bereits jetzt über 14.000
Behörden und Organisationen zum Zugriff auf das Regis‑
ter berechtigt, teils ohne überhaupt ausländer- und asyl‑
rechtliche Vorgänge zu bearbeiten. Der weitere Ausbau
führt dazu, dass eine letztlich unüberschaubare Menge
personenbezogener Daten aus unterschiedlichsten
Lebensbereichen von Ausländern in das Register gelan‑
gen. Die durch das Bundesverfassungsgericht gesehene
Gefahr einer umfassenden Registrierung und Katalogi‑
sierung der Persönlichkeit wächst dadurch noch einmal.
Die Verknüpfung dieser Daten mit der AZR-Nummer
würde zwangsläufig zu einem einheitlichen Personen‑
kennzeichen führen.
Vor diesem Hintergrund halte ich eine weitere Ausdeh‑
nung des Kreises der zugriffsberechtigten Behörden, ins‑
besondere die Einführung des automatisierten Abrufs
aus dem AZR als Regelfall, für höchst problematisch. Im
Gegenteil sollte aufgrund der Vielzahl der gespeicherten
Daten und deren Sensibilität insbesondere im Kontext
von Asylverfahren der Kreis der Zugriffsberechtigten
möglichst klein gehalten werden.
Mit fortschreitendem Ausbau des AZR wird letztlich
auch meine Rolle als datenschutzrechtliche Aufsichtsbe‑
hörde immer wichtiger. Die zunehmende Komplexität
und datenschutzrechtliche Sensibilität des Gesamt‑
systems führt zu einem deutlich steigenden Personal‑
aufwand bei der gebotenen datenschutzrechtlichen
Kontrolle.
Bei Redaktionsschluss zu diesem Tätigkeitsbericht
dauerten die Ressortberatungen in der Bundesregierung
noch an.
Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für die Jahre 2017 und 2018
65