Drucksache 15/4897

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Zusammenfassende Bewertung
Nach Artikel 10 Abs. 1 GG sind das Brief- sowie das
Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich. Die Grundrechtsnorm begründet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Abwehrrecht des Einzelnen
gegen das Öffnen und Lesen von Briefen sowie gegen das
Abhören, die Kenntnisnahme und das Aufzeichnen des
Inhalts der Telekommunikation, aber auch gegen die Erfassung ihrer Umstände, die Auswertung des Inhalts und
die Verwendung gewonnener Daten. Das Grundrecht gewährleistet die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch
einen privaten, vor der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Kommunikation und schützt damit zugleich
die Würde des Menschen. Wird vom Inhalt von Briefen
Kenntnis genommen und werden Telefongespräche abgehört, wird intensiv in das Grundrecht eingegriffen. Die
Schwere des Eingriffs wird auch dadurch geprägt, dass
der Betroffene wegen der gebotenen Heimlichkeit nicht
an dem Anordnungsverfahren beteiligt ist (vgl. zuletzt
BVerfG, 1 BvF 3/92 vom 3. März 2004, Absatz Nr. 104).
Auf der anderen Seite steht die zentrale Aufgabe der
Sicherheitsbehörden, den Schutz unserer Verfassung zu
gewährleisten, damit Menschenrechte, Freiheit und Demokratie gesichert werden. Diese Aufgabe der Sicherheitsgewährung für unsere Bürgerinnen und Bürger ist
nicht zuletzt aufgrund der Entwicklung im Bereich des internationalen Terrorismus seit den tragischen Ereignissen
am 11. September 2001 zunehmend wichtiger geworden.
Die Brief- und Telekommunikationsüberwachung stellt
für die beteiligten Dienste ein notwendiges Instrumentarium dar, um den auftretenden Gefahren frühzeitig begegnen zu können.
Entsprechend dieser Ausgangslage kommt den deutschen
Nachrichtendiensten aber auch den beteiligten Ministerien sowie den sie kontrollierenden Gremien eine große
Verantwortung bei der Beantragung, Genehmigung und
Durchführung jeder einzelnen Beschränkungsmaßnahme
zu. Unter Einsatz aller rechtsstaatlichen Mittel haben die
beteiligten Stellen einerseits ein größtmögliches Maß an
Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in unserem
Land zu garantieren und dabei andererseits die Bedürfnisse jedes Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre im
Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung zu wahren.
Für das Parlamentarische Kontrollgremium hat sich der
Eindruck erneut bestätigt, dass die Nachrichtendienste
ihre Tätigkeit auch in diesem Berichtszeitraum äußerst
gewissenhaft ausgeübt und die Beschränkungen der Bürgerinnen und Bürger in diesem Bereich so gering wie
möglich gehalten haben.
I.

Grundlagen der Berichtspflicht

Das Parlamentarische Kontrollgremium erstattet dem
Deutschen Bundestag nach § 14 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz [G10] vom 26. Juni 2001
[BGBl. I S. 1254, ber. S. 2298], zuletzt geändert durch
Gesetz vom 11. Februar 2005 [BGBl. I S. 239]) jährlich
einen Bericht über die Durchführung sowie Art und Um-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

fang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5 und 8 G10. Dabei
sind die Geheimhaltungsgrundsätze des § 5 Abs. 1 des
Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz [PKGrG] vom 11. April 1978 [BGBl. I S. 453], zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juni 2001 [BGBl. I
S. 1254]) zu beachten.
Die Verpflichtung zur jährlichen Unterrichtung des Deutschen Bundestages wurde eingeführt durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 [BGBl. I
S. 3186]. Zuständig für die parlamentarische Kontrolle
der Nachrichtendienste auf dem Gebiet der Maßnahmen
zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses war zunächst das so genannte G10-Gremium.
Entsprechende Berichte des G10-Gremiums sind unter
dem 4. Juni 1996 (Bundestagsdrucksache 13/5224) und
dem 13. Februar 1998 (Bundestagsdrucksache 13/9938)
abgegeben worden.
Durch Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien vom 17. Juni
1999 [BGBl. I S. 1334] sind die Aufgaben des G10-Gremiums auf das Parlamentarische Kontrollgremium übertragen worden. Der erste Bericht des Kontrollgremiums
erschien am 22. September 1999 (Bundestagsdrucksache 14/1635) und umfasste den Zeitraum vom 1. Januar
1998 bis 30. Juni 1999. Für den Zeitraum vom 1. Juli
1999 bis zum 30. Juni 2000 ist das Gremium seiner Berichtspflicht mit dem Bericht vom 8. Dezember 2000
(Bundestagsdrucksache 14/4948), für den Zeitraum vom
1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001 mit dem Bericht vom
21. Februar 2002 (Bundestagsdrucksache 14/8312) und
für den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 30. Juni 2002
mit Bericht vom 24. März 2003 (Bundestagsdrucksache 15/718) nachgekommen. Seinen letzten Bericht hat
das Kontrollgremium am 4. März 2004 (Bundestagsdrucksache 15/2616) vorgelegt. Er erstreckte sich auf den
Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2003.
Der jetzt vorliegende Bericht setzt die bisherige Berichterstattung fort und umfasst hinsichtlich des Zahlenmaterials den Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis zum 30. Juni
2004.
II.

Zusammensetzung des Parlamentarischen
Kontrollgremiums

Im Berichtszeitraum vom 1. Juli 2003 bis 30. Juni 2004
ist die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher
Tätigkeiten auf dem Gebiet des G10 von dem Parlamentarischen Kontrollgremium der 15. Wahlperiode durchgeführt worden.
Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums
der 15. Wahlperiode sind in der Sitzung des Deutschen
Bundestages am 5. Dezember 2002 gewählt worden. Folgende Abgeordnete gehören – in alphabetischer Reihenfolge – dem Gremium an: Hermann Bachmaier (SPD),
Hartmut Büttner (CDU/CSU), Rainer Funke (FDP),
Hans-Joachim Hacker (SPD), Volker Neumann (Bramsche) (SPD), Bernd Schmidbauer (CDU/CSU), Erika
Simm (SPD), Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/

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