Drucksache 18/9142

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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

3.4 Interne Vorgaben
Da das APB lediglich einen groben Rahmen vorgibt, wäre zu erwarten gewesen, dass der BND unterhalb des APB
etwa über eine eigene Dienstvorschrift oder über Handlungsleitfäden explizit Standards für den Einsatz von strategischer Fernmeldeaufklärung setzt, die ggf. begrenzend wirken. In den Gesprächen mit BND-Vertretern und
aus den Aktenvorlagen sind solche einheitlichen, schriftlichen Vorgaben allerdings nicht erkennbar geworden. In
den zurückliegenden Jahren betrachtete der BND die Methode SIGINT12 als risikoarm in Bezug auf Rechtsverletzungen. Deshalb wurde die Notwendigkeit einer Dienstvorschrift nicht für geboten erachtet. Es existieren im
Bereich der Fernmeldeaufklärung interne Abläufe und technische Standards, die geregelte Verfahren und den
Bezug auf das APB bei der Fernmeldeaufklärung sicherstellen sollen.
3.5 Fazit
Die rechtlichen Grundlagen für die Aufgaben und Befugnisse des BND aus dem BNDG, insbesondere die Befugnis zum Einsatz des nachrichtendienstlichen Mittels der strategischen Fernmeldeaufklärung (Ausland-Ausland),
sind nicht ausreichend klar und abgrenzbar bestimmt. Sie lassen bzw. eröffnen einen weiten Auslegungs- bzw.
Handlungsspielraum, der keine räumlichen und nahezu kaum inhaltliche Grenzen für die strategische Fernmeldeaufklärung bietet.
Darüber hinaus wird der Schutz der Telekommunikation für deutsche Staatsangehörige im In- und Ausland und
die Anwendbarkeit des G 10 durch die vom BND vertretene „Funktionsträgertheorie“ eingeschränkt.
Das APB schränkt den sehr weit gefassten Rahmen, den das BNDG für die Auslandsaufklärung gibt, durch die
Definition von Schwerpunkten zwar ein. Nimmt man die Anzahl der Länder und insbesondere die breite Ausdifferenzierung der Themen sowie die Tatsache, dass auch NATS aufgeklärt werden können, zusammen, ermöglicht
das APB dem BND, weltweit Ziele zu definieren, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind.
Letztlich eröffnet das APB auch die Möglichkeit, zumindest im Einzelfall in jedem Bereich alle zur Verfügung
stehenden nachrichtendienstlichen Mittel einzusetzen, insbesondere die Fernmeldeaufklärung.
Eine explizite Abwägung zu politisch sensiblen Zielen oder Partnerländern, die Grundlage für eine Einschränkung
der Aufklärung sein könnte, findet sich im APB nicht. Es ergeben sich aus dem APB keinerlei Einschränkungen
wie etwa ein grundsätzlicher Ausschluss von europäischen Regierungseinrichtungen oder Einrichtungen von
NATO-Partnern oder sonstigen Organisationen/Institutionen, in denen die Bundesrepublik selbst Mitglied ist.
Gleichwohl sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Bezug auf die (bündnis-)partnerschaftlichen Beziehungen zu anderen Staaten zu berücksichtigen. Insbesondere sollte bei der Entscheidung zur Steuerung eines Teilnehmers dieser Kategorie der nachrichtendienstliche
Mehrwert gegenüber dem potentiellen politischen Schaden abgewogen werden. Eine solche Abwägung sollte in
der Praxis den Einsatz der strategischen Fernmeldeaufklärung gerade in Bezug auf Bündnispartner aber auch
andere politisch sensible Ziele (wie z. B. Medien oder NGOs) erheblich einschränken.
Aus den gesichteten Akten, insbesondere den juristischen Ausführungen zu Fragen einer auftragskonformen Anwendung der strategischen Fernmeldeaufklärung, ist ersichtlich, dass es Ziel des BND war, die gesetzgeberisch
weiten Handlungsspielräume für die aus Sicht des BND nachrichtendienstlich notwendigen Aufklärungsansätze
zu nutzen.
Eine vertiefte mit der Hausleitung oder der Fachaufsicht abgestimmte einzelfallbezogene juristische Abwägung
und Handlungsempfehlung findet sich in Bezug auf die schwierigen Fragestellungen der Geltung des Grundrechtsschutzes und der Abwägung der politischen Sensibilität gegenüber dem nachrichtendienstlichen Risiko nur
in Ansätzen.
Daraus geht hervor, dass zu einzelnen Fragen (z. B. zu der Aufklärung sonstiger inländischer Einrichtungen) eine
zurückhaltende Anwendung bzw. eine restriktive Auslegungspraxis und eine Vereinheitlichung oder Schaffung
einer internen Dienstvorschrift ratsam wäre. Weitere Vorschläge oder juristische Ansätze zur Erarbeitung einer
Dienstvorschrift zur auftragskonformen Anwendung der strategischen Fernmeldeaufklärung finden sich hingegen
nicht. Dies gilt sowohl für die internen Stellen der Dienstaufsicht als auch für die Fachaufsicht im Bundeskanzleramt.

12

„SIGINT“ steht für Signals Intelligence und ist der englische Begriff, der im Kern die Fernmeldeaufklärung umfasst.

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