Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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ein Eingabefeld zu Informationen über die Persönlichkeit
des Betroffenen enthält.
Nach einem ersten Vorgespräch habe ich noch während
der Pilotphase zur Einführung der elektronischen Kriminalakte einen Kontroll- und Beratungsbesuch bei der
Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt/Main durchgeführt. Bis zum Redaktionsschluss war die Bewertung
des umfangreichen Materials noch nicht abgeschlossen.
Ich werde diese Thematik in meinem nächsten Tätigkeitsbericht erneut aufgreifen und von den Ergebnissen der
Kontrolle berichten.
7.4

Präventive Telekommunikationsüberwachung und „Quellen-TKÜ“
beim Zollkriminalamt

Das Zollkriminalamt verfügt über die Befugnis zur präventiven Telekommunikationsüberwachung. Daneben nimmt
es auch „Quellen-TKÜ“ vor, dringt also im Rahmen von
Telekommunikationsüberwachungen in Computersysteme ein, um auch verschlüsselte Gespräche abzuhören.
Gegen Ende des Berichtszeitraums habe ich einen Beratungs- und Kontrollbesuch im Zollkriminalamt (ZKA)
durchgeführt, um zu prüfen, wie das ZKA von der präventiven Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) Gebrauch
macht, also der Überwachung von E-Mails und Telefongesprächen, ohne dass im Zeitpunkt der Beantragung der
Überwachung ein Strafverfahren gegen die überwachte
Person eröffnet ist. Die Befugnis für diesen tiefen und zeitlich früh ansetzenden Grundrechtseingriff ist vor Jahren in
das Zollfahndungsdienstgesetz (ZFdG) eingefügt worden,
um der Zollfahndung ein weiteres Mittel zur Verhinderung
illegaler Ausfuhren und zur Unterbindung von drohenden
Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zur Verfügung zu stellen (vg. 21. TB Nr. 5.4.1).
Bei der Kontrolle zeigte sich, wie stark sowohl die Praxis
der Erhebung als auch die der Verarbeitung der präventiv
erhobenen Telekommunikationsdaten durch die Gerichte
bestimmt wird. Dies betrifft nicht nur den in aller Regel
erforderlichen Antrag bei Gericht vor Durchführung einer
solchen Maßnahme, sondern ebenso die Speicherungspraxis bzgl. der dabei gewonnenen Daten. So wird auch
das gesetzlich vorgesehene Verfahren der Benachrichtigung der von einer Überwachungsmaßnahme Betroffenen
wesentlich durch die gerichtliche Spruchpraxis geprägt,
bedarf doch das Aufschieben der Benachrichtigung bzw.
das gänzliche Absehen davon jeweils der gerichtlichen
Zustimmung. Meine Kontrolle habe ich daher u. a. auf die
Frage fokussiert, wie das ZKA mit Inhalten umgeht, die
den sogenannten Kernbereich privater Lebensgestaltung
betreffen.
Durch einen Zeitungsbericht habe ich zudem erfahren,
dass das ZKA schon verschiedentlich „Quellen-TKÜ“
durchgeführt hat. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die
Überwachung von Gesprächen, deren Inhalte nur in verschlüsselter Form übertragen werden. Das bekannteste
Beispiel hierfür ist die Internet-Telefonie. Um derartige
Gespräche abzuhören, ist es erforderlich, ein Programm
auf einem der an der Kommunikation beteiligten Rechner

Drucksache 17/5200

aufzuspielen, das schon vor der Verschlüsselung einen Zugriff auf die Daten ermöglicht. Damit ähnelt die Maßnahme in ihrer technischen Ausführung der „Online-Durchsuchung“. In Abgrenzung dazu muss bei einer
„Quellen-TKÜ“ technisch sichergestellt sein, dass der Zugriff ausschließlich auf Daten einer laufenden Telekommunikation erfolgt. Andere auf dem Computer gespeicherte Daten dürfen dabei nicht erhoben werden. Sehr
umstritten ist die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage eine
„Quellen-TKÜ“ vorgenommen werden darf. Nach meiner
Auffassung kann diese Maßnahme nicht auf die Rechtsgrundlage für eine herkömmliche Telekommunikationsüberwachung, wie etwa § 100a StPO oder eben auch § 23a
ZFdG, gestützt werden. Im Anschluss an das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2008 zur
sog. Online-Durchsuchung (1 BvR 370/07 – vgl. 22. TB
Nr. 4.1.1) halte ich eine gesonderte gesetzliche Befugnis
für erforderlich, wie sie in § 20l BKA-Gesetz geschaffen
wurde.
Bis Redaktionsschluss habe ich die im Rahmen der Kontrolle gewonnenen Erkenntnisse noch nicht abschließend
bewerten können. Insbesondere wird es noch erforderlich
sein, über die rechtliche Kontrolle der präventiven TKÜ
hinaus auch aus technischer Sicht nachzuvollziehen und
zu kontrollieren, wie das ZKA die für die Durchführung
der „Quellen-TKÜ“ erforderliche Software so aufspielt,
dass ausschließlich Daten des laufenden Telekommunikationsvorgangs erfasst werden. Die Ergebnisse werde ich
im nächsten Tätigkeitsbericht erörtern.
7.5

Bundesamt für Verfassungsschutz

Schwerpunkte meiner Tätigkeit im Berichtszeitraum
waren der Ausbau nachrichtendienstlicher Informationssysteme (vgl. u. Nr. 7.5.1) sowie die Umsetzung des Auskunftsverfahrens gem. § 15 Bundesverfassungsschutzgesetz im BfV (vgl. u. Nr. 7.5.2).
7.5.1

Dürfen die Verfassungsschutzbehörden
von Bund und Ländern einen umfassenden Informationspool einrichten?

Der Ausbau nachrichtendienstlicher Informationssysteme
der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zu umfassenden Wissensnetzen verstößt gegen gesetzliche Beschränkungen und ist daher nicht zulässig.
Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sind verpflichtet, in einer Hinweisdatei Identifikationsangaben, d. h. sog. Grunddaten, wie z. B. Name, Anschrift
etc., sowie die Aktenzeichen zu denjenigen Personen und
Organisationen zu speichern, die sie gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag beobachten. Auf diese Weise weiß jede
Verfassungsschutzbehörde, ob Informationen bei den anderen vorhanden sind. In dieser Datei ist aber nicht erkennbar, um welche Informationen es sich handelt und welchen
Inhalt diese haben. Nur in gesetzlich eng gefassten Ausnahmefällen dürfen auch Textauszüge bzw. Textdateien in
dieser Datenbank gespeichert werden.
Jetzt soll dieses Datensystem zu einem umfassenden Wissensnetz ausgebaut werden. Dies bedeutet einen Paradig-

BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010

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