Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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Dies hat das BMI gerade noch vermeiden können. Denn
die Rechtsverordnung trat just an dem Tag in Kraft, an
dem das Bundesverwaltungsgericht über die Revision in
dem oben genannten Fall entschieden hat. Zwar hat das
Bundesverwaltungsgericht die streitige Speicherung in
der Datei „Gewalttäter Sport“ deshalb für rechtmäßig befunden, es ließ aber keinen Zweifel daran, dass es die
Rechtsauffassung des OVG bestätigt hätte. Bei § 7 Absatz 6 BKAG handele es sich nicht um eine „bloße Verordnungsermächtigung, sondern um einen strikten Regelungsauftrag“ (Urteil vom 9. Juni 2010, 6 C 5.09).
K a s t e n zu Nr. 7.2.1
Entschließung der 77. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
am 26./27. März 2009 in Berlin

Drucksache 17/5200

Zugleich bestand während der Ressortberatungen Übereinstimmung darin, dass die Rechtsverordnung nicht einfach nur eine einzige lange Liste von Datenarten sein
dürfe, sondern diese den verschiedenen Arten von Dateien zuordnen müsse. Dieses Konzept ist auch durchgehalten worden, was allerdings zu einem äußerst komplexen Verordnungstext geführt hat.
Leider wurde die Chance vertan, die zu speichernden Datenarten auf das erforderliche Maß zu beschränken. Mit
den Verordnungsregelungen wurde der durch die §§ 8, 9
BKA-Gesetz gesteckte gesetzliche Rahmen vollständig
ausgeschöpft. So bin ich mit meiner Forderung, den Satz
an „Grunddaten“ zu erfassten Personen zu beschränken,
nicht durchgedrungen. Meine Anregung, in dem Verordnungstext die Regelung des § 8 Absatz 5 BKAG zu
„sonstigen Personen“ weiter zu konkretisieren, ist ebenso
nicht aufgegriffen worden.

Die polizeiliche Datenverarbeitung
in INPOL hat keine Rechtsgrundlage

7.2.2

Die Speicherung von Daten im polizeilichen Informationssystem INPOL durch die Polizeien des Bundes und
der Länder ist nur dann rechtmäßig, wenn eine Rechtsverordnung gemäß § 7 Absatz 6 Bundeskriminalamtsgesetz das Nähere über die Art der Daten bestimmt, die
in dieser Datei gespeichert werden dürfen. Eine solche
Rechtsverordnung existiert nicht. Mit Urteil vom
16. Dezember 2008 (Az. 11 LC 229/08) hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht dies in Bezug auf
die Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ bekräftigt. Das
Urteil ist nicht nur für die Rechtmäßigkeit der Hooligan-Datei bedeutsam, sondern hat Auswirkung auf alle
im Rahmen von INPOL geführten Verbunddateien.

Gegen die Speicherpraxis des BKA in der Datei „IgaSt“,
aus der Listen im Vorfeld von globalisierungskritischen
Demonstrationen ins Ausland versendet werden, bestehen
Bedenken.

Mit der Entscheidung des Gerichts wird die Auffassung
der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bestätigt. Die vom Bundesministerium des Innern
bisher vertretene Auffassung, wonach die Rechtsverordnung keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Datenverarbeitung in den Verbunddateien sei, wird durch die
einschlägigen Regelungen nicht gestützt.
Ohne eine derartige Rechtsverordnung ist die Gesamtheit der in Verbunddateien stattfindenden polizeilichen
Datenverarbeitungen rechtswidrig. Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Länder fordern das Bundesministerium des Innern und die Landesregierungen auf,
unverzüglich daraus Konsequenzen zu ziehen und die
polizeiliche Datenverarbeitung auf den Prüfstand zu
stellen.
Die neu geschaffene Rechtsverordnung ist keine Rechtsgrundlage für die Erhebung oder Verarbeitung von Daten.
Es ging nicht darum, mehr Daten oder neue Arten von
Daten zu erfassen, sondern die Speicherung der vorhandenen Daten auf rechtstaatliche Grundlagen zu stellen. Im
Verfahren habe ich erfolgreich darauf gedrungen, dass die
Arten von Daten in der Rechtsverordnung abschließend
aufgeführt sind. Andere Daten darf damit das BKA in
seine Dateien nicht aufnehmen.

Politisch motivierte Kriminalität –
Die Datei „IgaSt“ beim BKA

Im Zusammenhang mit politischen Großveranstaltungen,
wie etwa dem NATO-Gipfel in Straßburg und Kehl oder
der Weltklimakonferenz in Kopenhagen, ist es üblich geworden, zwischen den Sicherheitsbehörden Informationen
zu potentiell gewalttätigen Demonstranten über die Landesgrenzen hinaus auszutauschen. Die Antworten der Bundesregierung auf Anfragen von Abgeordneten zu diesem
Thema ließen allerdings einige Frage bei mir offen. Deswegen habe ich die Datenverarbeitungspraxis des BKA im Bereich der sog. politisch motivierten Kriminalität kontrolliert. Im Zentrum stand dabei die Datei „International
agierende gewaltbereite Störer – IgaSt“, die der mittlerweile gelöschten Datei „Global“ (vgl. 20. TB Nr. 5.2.5.1)
nachgefolgt ist.
Die Datei „IgaSt“ hat ein gewisses Maß an Bekanntheit
erlangt, weil sie Grundlage für eine Liste von „gewaltbereiten Störern“ mit globalisierungskritischer Haltung ist.
Das BKA versendet diese an die Polizei des Veranstalterlandes, sofern mit Ausschreitungen gerechnet wird. Dem
Empfänger wird dabei vorgegeben, spätestens vier Wochen nach dem Ende des Ereignisses die mitgeteilten Daten zu löschen. Jede Übermittlung personenbezogener
Daten in diesem Zusammenhang erfolgt zudem mit einer
Datenschutzklausel, die u. a. die Zweckbindung der übermittelten Daten festschreibt. Zudem wird die Datenübermittlung vom Vorliegen eines angemessenen Datenschutzniveaus im Empfängerland abhängig gemacht.
Es ist aber nicht diese Praxis der Datenübermittlung, die
auf meine datenschutzrechtlichen Bedenken gestoßen ist,
sondern vielmehr die Struktur der Datei „IgaSt“ und die
Art und Weise ihrer Führung:
Die in der Datei gespeicherten Personen werden in zwei
Kategorien eingeteilt, ohne dass dies aus der mir vorliegenden Errichtungsanordnung hervorgeht. Während in
der einen Kategorie die Personen erfasst sind, die dem

BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010

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