Drucksache 17/5200

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im Einzelfall eingeholt. Aufgrund der Änderung von § 98
TKG wäre nun eine schriftliche Einwilligung erforderlich
– bei Notfällen wenig praktikabel. Deshalb wurde vorgeschlagen, eine Ortung formal nach § 108 TKG durchzuführen, wobei die AOS als Auftragsdatenverarbeiter für
die Netzbetreiber tätig wird. Somit wäre der Form Genüge getan, dass die Standortdaten des Anrufers vom
Netzbetreiber an die Notrufabfragestelle übermittelt werden. Bis zur verpflichtenden Anwendung der TR Notruf
wäre dies eine gesetzeskonforme Lösung. Zum Zeitpunkt
des Redaktionsschlusses waren aber noch nicht alle hierfür erforderlichen Verträge unterzeichnet.
6.3

Erfahrungen aus Kontrollen – unentbehrlich für die tägliche Arbeit

Die Verarbeitung von Bestands- und Verkehrsdaten ist im
Telekommunikationsgesetz geregelt. In der Praxis zeigt
sich, dass Unternehmen bisweilen die Auslegungsspielräume dieser Vorschriften überschreiten.
Ein Telekommunikationsanbieter hatte sich an mich gewandt, da er Zweifel an der Rechtmäßigkeit der eigenen
Datenverarbeitung hatte. Einer der eklatantesten Punkte
betraf die Löschung der Bestandsdaten ehemaliger Kunden. Diese Daten müssen mit Ablauf des auf die Vertragsbeendigung folgenden Jahres gelöscht bzw. – soweit aus
steuer- und handelsrechtlichen Gründen noch Aufbewahrungspflichten bestehen – gesperrt werden; spätestens
nach zehn Jahren gibt es keinen Grund für eine Speicherung.
Beim Systemdesign hatte man solche Kleinigkeiten offenbar außer Acht gelassen und für verschiedene Zwecke
diverse Datenbanken kreuz und quer verbunden. Als nun
eine Löschung bzw. Sperrung umgesetzt werden sollte,
stellte man fest, dass die Daten in vielen Systemen gespeichert wurden und wie komplex deren Vernetzung
war. Die gesetzlich notwendigen Systemänderungen erfordern einen erheblichen Aufwand. Auch bei der Verarbeitung der Verkehrsdaten waren Probleme erkennbar,
etwa die Speicherung von Daten über netzinterne Gespräche, für die es bei Kunden mit Flatrate keinerlei Grund
gibt, oder die zu lange Speicherung von Rohdaten aus den
Vermittlungsstellen.
Ich habe trotz dieser Mängel von einer förmlichen Beanstandung abgesehen, da mich der Anbieter auf eigene Initiative auf seine Unzulänglichkeiten aufmerksam gemacht
und bereits eigenständig umfangreiche Maßnahmen zu deren Abstellung ergriffen hat. Im Rahmen einer Kontrolle,
die noch nicht abgeschlossen ist, begleite ich diesen Vorgang aufmerksam.
In meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 3.2.2) hatte ich
bereits ausführlich über meine Prüfungen bei der Deutschen Telekom AG (DTAG) im Festnetz berichtet, die ich
aus Anlass des „Telekom-Skandals“ durchgeführt hatte.
Im genannten Beitrag hatte ich auch bereits über die Beanstandung informiert, die formal erst Anfang 2009 ausgesprochen wurde. Beanstandet hatte ich insbesondere,
dass der Konzerndatenschutz keinen vollständigen und
ausreichend detaillierten Überblick über die Datenverar-

BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

beitungssysteme hatte. Das Unternehmen hat zwischenzeitlich verschiedene Maßnahmen umgesetzt, die bereits
eine deutliche Verbesserung bewirkt haben. Bei einem
Konzern dieser Größe scheinen strukturelle Veränderungen jedoch eine recht langfristige Aufgabe zu sein.
Auch bei der Verarbeitung personenbezogener Daten wurden inzwischen Fortschritte erzielt. So werden Verkehrsdaten, die aufgrund einer Flatrate nicht abrechnungsrelevant sind, früher gelöscht. Die Anzahl der Nutzer einer
Anwendung, mit der nur in besonderen Fällen auf Verkehrsdaten zugegriffen wird, wurde reduziert. Die Speicherdauer bei einem Verfahren zur Missbrauchserkennung
wurde deutlich herabgesetzt. Für den Festnetzbereich habe
ich zum Ende des Berichtszeitraums bei der Speicherung
von Verkehrsdaten für die Abrechnung mit anderen Netzbetreibern (Intercarrierabrechnung) einen Dissens mit
dem Unternehmen. Dieser bezieht sich auf die Interpretation des im Datenschutzrecht wichtigen Begriffs „erforderlich“. Nach der gesetzlichen Vorgabe im TKG dürfen
Verkehrsdaten verarbeitet werden, soweit dies für betriebliche Zwecke, also die Erbringung eines Dienstes oder
seine Abrechnung erforderlich ist.
Es ist ein generelles Problem, dass der Übergang zwischen (zwingend) erforderlich und ganz praktisch (für
alle Eventualitäten) oft fließend ist und von manchen Unternehmen eher zu ihren Gunsten ausgelegt wird. Dies
zeigt sich etwa bei der Speicherung der Daten zur Missbrauchserkennung gemäß § 100 Absatz 3 TKG, die nur
bei Vorliegen zu dokumentierender tatsächlicher Anhaltspunkte und damit nur in sehr engen Grenzen zulässig ist.
Mit der zunehmenden Verbreitung von Flatrates werden
in Bezug auf den Endkunden weniger Daten aus betrieblichen Gründen erforderlich – umso problematischer sehe
ich es, wenn für die Abrechnung mit dem Kunden nicht
mehr erforderliche Verkehrsdaten zu anderen Zwecken,
insbesondere zur Missbrauchserkennung und -bekämpfung, vorgehalten werden. Auch geschäftliche Interessen
rechtfertigen keine anlasslose Vorratsdatenspeicherung!
Bei der DTAG habe ich ebenfalls den Bereich Mobilfunk
geprüft. Auch hier war es sehr mühsam, einen Überblick
über die Verarbeitung der Verkehrsdaten zu erlangen, was
meine bereits für den Festnetzbereich geäußerte Kritik
nachträglich bestätigt. Die oben genannten Maßnahmen
waren zum Zeitpunkt der Kontrolle im Mobilfunkbereich
noch nicht realisiert.
Meine Kritik bezieht sich auf verschiedene Aspekte der
Datenverarbeitung: Die Speicherung von Rohdaten aus
den Vermittlungen war deutlich zu lange. Diese Daten
werden für den Fall gespeichert, dass es technische Probleme bei den nachfolgenden Systemen zur Berechnung des
Entgelts gibt und die Rohdaten nochmals die Verarbeitungskette durchlaufen müssen. Technische, vom Unternehmen zu verantwortende Probleme rechtfertigen – bei
allem Verständnis für die Interessen an der Abrechnung
von Entgelten – keine Verstöße gegen die gesetzlichen
Vorgaben. Das TKG schreibt vor, dass die für die Berechnung der Entgelte erforderlichen Daten unverzüglich zu
ermitteln und andere Daten unverzüglich zu löschen sind.
„Unverzüglich“ bedeutet zwar nicht sofort, aber eine über

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