Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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ten Nutzung zur Verfügung stellt. In diesen Fällen liegt
aber gar keine wirkliche Eigenortung vor, sondern der
Mechanismus wird verwendet, um den Aufenthaltsort einer anderen Person festzustellen. Hier würden sowohl das
Schriftformerfordernis für die Einwilligung als auch die
Benachrichtigungs-SMS entfallen und somit ein Missbrauch erleichtert.
Angesichts dieser Risiken begrüße ich es, dass viele Anbieter unabhängig von der jeweiligen Fallkonstellation
stets eine Einwilligungs-SMS verlangen, die vom zu ortenden Handy verschickt werden muss, ehe die Ortung
freigeschaltet wird.
Das BMWi hat auf diese Probleme reagiert und im Rahmen der aktuellen TKG-Novelle auch § 98 TKG zur Diskussion gestellt. In der zum Redaktionsschluss vorliegenden Fassung soll – auf meinen Vorschlag hin – eine
Informations-SMS immer, also ohne Widerspruchsmöglichkeit, an das Endgerät gesendet werden, es sei denn,
dass die Standortdaten nur am Endgerät angezeigt werden.
Eine solche Eigenortung würde etwa bei einem Dienst zur
Anzeige der Restaurants in der Umgebung vorliegen. Ich
hoffe, dass die vorgeschlagene Regelung möglichst bald
beschlossen wird, um die Missbrauchsrisiken bei Ortungsdiensten zu verringern.
Ortung von Smartphones
Während die Ortung über die Mobilfunk-Netzbetreiber
mit jedem Handy möglich ist, aber selten genutzt wird,
wird die Standortbestimmung von Smartphones zur alltäglichen Routine. Inzwischen gehört der Besitz eines
solchen Klein-Computers mit Telefon-, Foto-, WLANund GPS-Ortungs-Funktion sowie einer Daten-Flatrate in
manchen Kreisen schon fast zum guten Ton (vgl. auch
Nr. 5.11). Dabei erfolgt die Ortung mit Hilfe von GPS-,
WLAN- und Mobilfunkdaten ohne Beteiligung des Mobilfunk-Netzbetreibers. Die per Funk empfangenen Daten
werden in der Regel an einen – meist amerikanischen –
Anbieter über das Internet übermittelt, der den Standort
bestimmt. Neben den GPS-Daten werden auch Datenbanken mit Messwerten von WLAN-Stationen und Mobilfunksendern verwendet, so dass auch ohne GPS-Empfang
eine Standortbestimmung möglich ist. Umgekehrt bilden
die vom Smartphone übertragenen Daten – zusammen
mit Daten von Messfahrten (vgl. Nr. 4.1) – die hierfür
notwendige Datenbasis. Somit kann man z. B.

Drucksache 17/5200

Die wenigsten Nutzerinnen und Nutzer verstehen, welche
Prozesse ablaufen, wenn sie über ein Smartphone nach
Restaurants in der näheren Umgebung suchen. Überraschend waren die Einzelheiten in der Stellungnahme eines amerikanischen Unternehmens vom Sommer 2010 an
den US-Kongress zu den Ortungsfunktionen seiner Geräte. Darin wird erläutert, dass die Endgeräte bei aktivierter Ortung pseudonymisierte Messdaten an das Unternehmen senden oder dass – sofern kein Widerspruch gegen
ortsbezogene Werbung erfolgte und die Ortungsfunktion
nicht deaktiviert ist – der Aufenthaltsort mit der Genauigkeit von Postleitzahlen (ZIP-Code) personenbezogen gespeichert wird. Es gibt auch Vorgaben für Hersteller von
Anwendungen, die ein Kunde auf das Gerät laden kann,
etwa dass der Kunde eingewilligt haben muss und die
Ortsinformation für die Anwendung erforderlich ist.
Selbst wenn einige Punkte geklärt werden, bleiben bei genauerer Betrachtung der Stellungnahme noch viele Fragen wie z. B. die Speicherdauer von Daten offen. Auch
kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob Daten anonym, pseudonym oder personenbeziehbar sind.
Diese Datenübermittlungen finden im Allgemeinen erst
nach einer Einwilligung in die Nutzungsbedingungen statt.
Fraglich dürfte auch sein, ob die wenigen, die diese überhaupt lesen, die ganze Tragweite verstehen. Hier muss ich
an jeden Nutzer appellieren, sich vor einer Einwilligung
bzw. Freischaltung der Ortungsfunktion den möglichen
Umfang zu vergegenwärtigen und ein gesundes Misstrauen walten zu lassen.
Notrufortung

– oder Werbung mit Ortsbezug erhalten.

Nachdem die Notrufverordnung am 6. März 2009 erlassen
worden ist (BGBl. I S. 481), erwarte ich die Technische
Richtlinie Notrufverbindungen (TR Notruf) für Anfang
2011. Ein erster Entwurf enthielt keine Lösung für die von
mir problematisierten Punkte. Insbesondere soll für die
Standortbestimmung in Fällen, bei denen mehrere Netzbetreiber beteiligt sind, etwa VoIP-Anbieter und Internetanbieter, eine Mitwirkungspflicht eingeführt werden. In der
Notrufverordnung wird darauf hingewiesen, dass die technischen Schnittstellen durch angemessene Maßnahmen
gegen Missbrauch zu sichern sind. In dem Entwurf zur
TR Notruf ist jedoch kein Hinweis zur konkreten Umsetzung enthalten. Eine zufriedenstellende technische Lösung hierfür ist für mich noch nicht absehbar. Da eine Ortsbestimmung bei VoIP bereits für die Feststellung der
zuständigen Notrufabfragestelle notwendig ist, muss eine
Lösung gefunden werden, bei der ein Nutzer einer
IP-Adresse nicht durch Missbrauch der für Notruf standardisierten Schnittstellen von Nichtberechtigten lokalisiert
werden kann.

Diese Standortdaten unterliegen nicht dem TKG, sondern
dem Telemediengesetz, da der Telekommunikationsanbieter die Ortung nicht selbst durchführt. Somit sind die Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder zuständig. Da in
vielen Fällen amerikanische Unternehmen den Dienst anbieten, haben europäische Aufsichtsbehörden leider nur
wenig Einfluss auf die Erhebung und Verwendung der
Standortdaten.

Die Standortübermittlung von Mobilfunkteilnehmern an
Notrufabfragestellen soll nach der TR Notruf nunmehr
klarer geregelt werden. Bisher kann bei Bedarf der Standort eines Mobilfunkteilnehmers über die ursprünglich von
der Björn-Steiger-Stiftung initiierte Notrufortung festgestellt werden, die inzwischen von der Allianz OrtungsServices GmbH (AOS) betrieben wird. Dabei wurde von der
Notrufabfragestelle bisher eine mündliche Einwilligung

– sich eine Straßenkarte der Umgebung anzeigen lassen,
– ein Foto mit einem „Geo-Tag“ versehen lassen,
– den eigenen Standort den Freunden in einem sozialen
Netzwerk bekannt geben

BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010

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