Drucksache 17/5200
4.1.1
– 42 –
Mein Haus im Internet: Google Street
View und andere Dienste
Niemand kann sich dem Internet mehr vollständig entziehen. Diese Erfahrung machten jedenfalls viele Mieter und
Hauseigentümer.
Bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht (22. TB
Nr. 7.2) habe ich den vom Unternehmen Google geplanten
Dienst Street View ausführlich dargestellt, dessen Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht beschrieben und daraus datenschutzrechtliche Forderungen abgeleitet. Dabei
werden Digitalfotos von Häuserfassaden und Grundstücken ins Internet gestellt und ermöglichen dem Nutzer virtuelle Rundgänge. Datenschutzrechtlich problematisch ist
dabei zum einen, dass die Informationen durch das Unternehmen aber auch von jedem beliebigen Internetnutzer mit
weiteren Informationen über Bewohner und Eigentümer
der gezeigten Grundstücke zusammengeführt werden können. Street View und ähnliche Dienste sind somit eine weitere Quelle für immer umfangreichere und aussagekräftigere Persönlichkeitsprofile (vgl. Nr. 1, 4.1.3, 6.2).
Inzwischen hat Google auch in Deutschland umfangreiches digitales Bildmaterial erfasst und seinen Dienst für
deutsche Städte freigeschaltet; andere Unternehmen bieten ähnliche Dienste an. Es hat sich aber auch gezeigt,
dass viele Grundstückseigentümer und Bewohner die flächendeckende Abbildung der Straßenansichten mit Sorge
betrachten. So führte bereits die Ankündigung der Inbetriebnahme des Dienstes zu intensiven Diskussionen in
der Öffentlichkeit. Auch die vergleichsweise hohe Zahl
von Eingaben, die allein mich zu dieser Thematik erreicht
haben, obwohl der BfDI nicht einmal die zuständige Aufsichtsbehörde ist, unterstreicht die Besorgnis vieler Bürgerinnen und Bürger.
In intensiven Gesprächen haben der zuständige Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sowie Vertreter anderer Aufsichtsbehörden erreichen
können, dass Google zugesagt hat, den in meinem letzten
Tätigkeitsbericht beschriebenen Forderungen (22. TB
Kasten zu Nr. 7.2) weitgehend nachzukommen. Das Unternehmen hat gegenüber dem Hamburgischen Beauftragten die Einhaltung von 13 Punkten zugesichert (vgl. Kasten zu Nr. 4.1.1). Die wichtigsten Zusagen beziehen sich
dabei zum einen auf die vor Veröffentlichung zu erfolgende automatisierte Verschleierung von Gesichtern und
Kfz-Kennzeichen sowie auf die Möglichkeit der Betroffenen, sowohl vor als auch nach Veröffentlichung der Bilder der Verbreitung ihrer personenbezogenen Daten widersprechen zu können. Diese Zusagen entsprechen den
Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes.
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Bedauerlich ist, dass trotz intensiver Abstimmung mit den
Datenschutzbehörden in Europa ein gleichwertiger Schutz
der Persönlichkeitsrechte in der Mehrzahl der betroffenen
europäischen Länder bislang nicht erreicht werden konnte.
Dies unterstreicht die Notwendigkeit, im Rahmen der
grundlegenden Überarbeitung des europäischen Datenschutzrechts (vgl. Nr. 13.2) dessen Anwendbarkeit auch
für solche Dienste sicherzustellen, die von außereuropäischen Anbietern auf dem europäischen Markt angeboten
werden und bei denen Daten der hier wohnenden Menschen betroffen sind.
Während für die nach Veröffentlichung im Internet bestehende Widerspruchsmöglichkeit bereits technische Verfahren existierten, musste Google für den Vorab-Widerspruch eine neue technische Lösung entwickeln, um
einerseits die Widersprüche möglichst schnell bearbeiten
und andererseits die eingelegten Widersprüche den Bildaufnahmen eindeutig zuordnen zu können. Außerdem
sollte das missbräuchliche Einlegen von Vorab-Widersprüchen weitgehend verhindert werden.
Im Ergebnis wurde eine Lösung gefunden, die für Street
View überwiegend positive Resultate erzielte, aber auch
grundsätzliche Probleme aufwarf. Der Vorab-Widerspruch
basiert darauf, dass die Betroffenen über ein Online-Tool,
das in den bereits verfügbaren Kartendienst des Unternehmens eingebaut ist, den Punkt markieren können, auf den
sich ihr Widerspruch bezieht. Sofern damit eine eindeutige
Zuordnung zu konkreten Aufnahmen möglich war, bekam
der Betroffene einen Verifizierungscode postalisch zugesandt und konnte mit dessen Hilfe wiederum online das
Widerspruchsverfahren abschließen. Zum Ende des Jahres
2010 hat Google schließlich zunächst für die 20 größten
Städte Deutschlands den Dienst Street View mit der Veröffentlichung der Straßenansichten gestartet.
Problematisch am Verfahren des Vorab-Widerspruchs ist,
dass Google auf diese Weise zusätzliche personenbezogene Daten der Betroffenen erhält, deren Verwendung
durch die Aufsichtsbehörde nur schwer kontrolliert werden kann. Dabei handelte es sich neben Namen und Anschriften der Betroffenen auch um die konkrete Beschreibung eines Hauses oder Grundstücks. Wie zahlreiche
Eingaben zeigten, hat dies viele Betroffene davon abgehalten, Widerspruch einzulegen: das Vertrauen, dass Google
mit ihren im Rahmen des Widerspruchs angegebenen Daten sorgfältig umgeht, ist offenbar gering.
Um eine möglichst datenschutzfreundliche Inanspruchnahme des Widerspruchsrechts zu gewährleisten, habe
ich daher die Einführung eines zentralen Widerspruchsregisters bei einer vertrauenswürdigen Stelle angeregt (vgl.
Nr. 4.2).
K a s t e n zu Nr. 4.1.1
13 Zusagen von Google zum Internetdienst Google Street View
Die folgenden Punkte sind zusammengestellt aus bereits in dem Dienst enthaltenen Maßnahmen, Zusagen gegenüber
dem Düsseldorfer Kreis im April 2009 und gegenüber dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit im Juni 2009:
BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010