Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

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Ablehnung bestätigt. Das Oberverwaltungsgericht
Nordrhein-Westfalen und - ihm folgend - das Bundesverwaltungsgericht haben den Anspruch auf der
Grundlage des IFG Nordrhein-Westfalen bejaht. Der
Informationszugang werde nicht von einer „absichtsvollen Nichtregelung“ der Abgabenordnung zum
Akteneinsichtsrecht der am steuerlichen Verfahren
Beteiligten ausgeschlossen (OVG NRW, Urteil vom
15. Juni 2011 - OVG 8 A 1150/10 -; BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11 -).
Hätte der Insolvenzverwalter Einsicht in Unterlagen
aus einem Besteuerungsverfahren beantragt, hätte
das Finanzamt den Antrag auf der Grundlage der
Abgabenordnung ablehnen können. Die Abgabenordnung wäre dann - insoweit - als abschließende
bereichsspezifische und vorrangige Regelung i. S. d.
§ 1 Absatz 3 IFG anzusehen gewesen. Die Frage, ob
der Beteiligte eines steuerrechtlichen Verfahrens
einen Anspruch auf Akteneinsicht nach dem Vorbild
des § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz haben soll,
war ausweislich der Gesetzesbegründung überlegt,
aber nicht in der Abgabenordnung geregelt worden
(Bundestagsdrucksache 7/4292 S. 24 f.). Einen solchen Anspruch hat der Insolvenzverwalter vorliegend aber nicht geltend gemacht. Vielmehr hat er in
seiner „funktionsspezifisch geprägten“ Rolle als
Konkursverwalter die Einsicht in die Unterlagen
beantragt, um anschließend Anfechtungsansprüche
geltend machen zu können. Das BVerwG kommt
daher zu dem Ergebnis, dass den (steuer-)verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung insoweit keine Sperrwirkung zu kommt.
(Zu § 1 Absatz 3 IFG vgl. auch unter Nr. 3.2.2,
5.1.3).
3.2.6

Frage oder Antrag - das ist die Frage

Drucksache 18/1200

der Behörde, so spricht dies für einen Antrag nach
dem Informationsfreiheitsgesetz. Auch eine ausdrückliche Bezugnahme des Antragstellers auf dieses
Gesetz kann ein erster Anhaltspunkt für die Annahme eines IFG-Antrages sein. Wird der Informationswunsch von der Behörde zunächst als kostenfreie
Bürgeranfrage, nach näherer Betrachtung indes als
potentiell kostenpflichtiger IFG-Antrag bewertet,
sollte der Antragsteller rechtzeitig auf eine evtl. Kostenpflicht hingewiesen werden. Dabei ist er möglichst auch bereits über die absehbare Größenordnung der Gebühren und Auslagen zu informieren,
ohne ihn durch eine überzogene Kostenprognose von
der Wahrnehmung seines Rechtes auf Informationszugang abzuschrecken.
Bearbeitet eine öffentliche Stelle den Antrag eines
Petenten als Bürgeranfrage, auch wenn dieser ausdrücklich auf das IFG Bezug genommen hat, und
erteilt nach verständiger Würdigung des Informationsbegehrens vollinhaltlich die gewünschten Auskünfte, so kann dies im Einzelfall bürgerfreundlich,
weil unbürokratisch, und damit durchaus im Sinne
des Antragstellers sein. Mit der Bearbeitung eines
Begehrens als Bürgeranfrage darf indes der bei
(Teil-)Verweigerung des Informationszuganges nach
dem IFG gesetzlich vorgesehene Rechtsschutz nicht
„ausgehebelt“ werden. Ein (Verfahrens-)Wahlrecht
der Behörde auf Kosten der Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers wäre mit dem IFG nicht vereinbar, das ein starkes, wo nötig auch gerichtlich
durchsetzbares Recht auf Informationszugang gewährt.
3.2.7

Informationsfreiheit und Urheberrecht - ein unüberbrückbarer Gegensatz?

Die Abgrenzung zwischen der (kostenfreien) Bürgeranfrage und dem u. U. kostenpflichtigen IFG-Antrag
ist nicht immer einfach.

Echte Konfliktfälle zwischen dem Recht auf Informationszugang und entgegenstehenden Urheberrechten
sind selten.

Das Informationsfreiheitsgesetz gewährt die Möglichkeit, Anträge auf Informationszugang zu stellen.
Es hat aber keinesfalls die seit Jahrzehnten bewährte
Praxis der Bürgeranfragen beseitigt, die für Bürger
und Verwaltung weiterhin sinnvoll bleiben und rege
in Anspruch genommen werden.

Nach § 6 Satz 1 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, „soweit der Schutz geistigen
Eigentums entgegensteht“. Der Begriff des „geistigen Eigentums“ erfasst - neben Marken-, Patent-,
Gebrauchs- und Geschmacksmusterrechten - insbesondere auch das Urheberrecht. Dieses schützt nach
dem „Gesetz über Urheberrechte und verwandte
Schutzrechte“ (Urheberrechtsgesetz - UrhG) Werke
der Literatur, Wissenschaft und Kunst, insbesondere
auch Sprachwerke und Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art (§§ 1, 2 Absatz 1 Nummer 1 und 7 UrhG).

Bei der Abgrenzung zwischen Bürgeranfrage und
Antrag auf Informationszugang kommt es entscheidend auf das vom Bürger Gewollte an: Handelt es
sich eher um ein allgemeines Informationsinteresse
ohne konkreten Fall- oder Aktenbezug, so ist auch
nach dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes prima facie weiterhin von einer Bürgeranfrage
auszugehen. Bezieht sich die Frage hingegen auf
„amtliche Informationen“ in konkreten Unterlagen

Auf den ersten Blick verwundert es daher nicht,
wenn Behörden mitunter versuchen, sich - insbesondere wenn es um die Herausgabe von Gutachten,
Schriftsätzen, Vermerken o. ä. geht - unter Berufung
4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

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