1. Aufgabenerfüllung: Die Polizeibehörde darf Daten
speichern, um eine Aufgabe erfüllen zu können.
Dafür darf sie umfangreich Daten erheben,
beispielsweise von Zeugen oder Opfern. Andererseits
muss der Zugriff auf diese Daten begrenzt sein. Nur
diejenigen, die den „Fall“ bearbeiten, dürfen die
Daten sehen. Deshalb sind Zugriffe in der Regel auf
die zuständige Organisationseinheit zu begrenzen.
Ist der Vorgang abgeschlossen, gibt es prinzipiell
zwei unterschiedliche Gründe, die Daten weiter
aufzubewahren.
2. Vorsorge („polizeiliches Gedächtnis“): Die Polizei
kann die Daten von Personen weiter speichern,
die dafür hinreichenden Anlass gegeben haben.
So bestimmt das BKA-Gesetz, dass Daten von Beschuldigten und Verdächtigen zu Vorsorgezwecken
gespeichert werden dürfen, wenn sich aus einer
dokumentierten Negativprognose ergibt, dass von
ihnen weitere Straftaten zu erwarten sind. Zeugen
und Opfer darf das BKA – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen – nicht für diesen Zweck speichern.
3. Dokumentation: Diese Datenspeicherung dient der
späteren Prüfung, ob die Polizeibehörde rechtmäßig
gehandelt hat. Das gilt beispielsweise dann, wenn
sich Opfer darüber beklagen, die Polizei sei zu spät
eingeschritten oder eine verdächtigte Person meint,
sie sei zu Unrecht abgehört worden. Ein ähnlicher
damit zusammenhängender Zweck ist die Vorgangsverwaltung. Diese dient dazu, Vorgänge und Dokumente wieder aufzufinden.
Das VBS trennt im Ergebnis nicht ausreichend zwischen
diesen drei grundlegenden Zwecken. Insbesondere sind
die zu Zwecken der Vorgangsverwaltung und Dokumentation verarbeiteten Daten nicht strikt von den Daten zur
Aufgabenerfüllung bzw. Bearbeitung getrennt. In den
einzelnen Datensätzen konnte ich bei der Kontrolle nicht
nachvollziehen, ob das BKA diese gespeichert hatte, um
eine konkrete Aufgabe zu erfüllen oder um das polizeiliche Handeln zu dokumentieren. Damit eng zusammen
hängt der Mangel, dass die Zugriffsrechte nicht passend
zum Verarbeitungszweck vergeben worden waren, was
ich ebenfalls beanstandet habe. Zur Aufgabenerfüllung
gespeicherte Daten dürfen prinzipiell nur für diejenigen
Bearbeiter zum Zugriff stehen, die für die jeweilige Aufgabe zuständig sind. Ausnahmen sind möglich, müssen
aber besonders begründet sein. Ansonsten bestünde die
Gefahr, dass die Zweckbindung unterlaufen würde. Stehen etwa alle zur Dokumentation gespeicherten Daten
der Recherche offen, dann sind auch alle Personen zu
finden, die für die Gefahrenvorsorge nicht gespeichert

56

Tätigkeitsbericht zum Datenschutz für 2019

werden dürften. Das wären dann auch Personen, für die
keine Negativprognose gestellt werden kann.
Das VBS darf deshalb nicht als umfassendes Recherchesystem genutzt werden. Es enthält jedoch eine Funktion
mit dem Namen „Dateienrundlauf“. Damit können die
Anwendenden alle Informationen im VBS durchsuchen.
Ausgenommen sind nur solche Informationen, die als
„beschränkt recherchierbar“ gekennzeichnet sind. Das
betrifft aber nur einen Teil der Daten. Prinzipiell können
die Anwenderinnen und Anwender im BKA, die mit kriminalpolizeilicher Arbeit betraut sind, alle polizeilichen
Daten recherchieren. Das betrifft auch solche Daten, für
deren Bearbeitung die Beschäftigten innerhalb des Hauses nicht zuständig sind. Daneben können sie gleichzeitig
auch die weiteren polizeilichen Datenbestände und weitere Register durchsuchen. Das gilt etwa für die im polizeilichen Informationssystem (INPOL) und im Bundeszentralregister (BZR) abgelegten Informationen. Diese Funktion
wird häufig genutzt und führt nach meiner Einschätzung
unter anderem dazu, dass Personen teilweise nur deshalb
im VBS gespeichert werden, um einen Dateienrundlauf
überhaupt durchführen zu können. Personen nur deshalb
zu speichern, um nach ihnen recherchieren zu können,
ist grob datenschutzwidrig. Den Dateienrundlauf habe ich
daher auch beanstandet.
Zu klären ist auch, welche Daten überhaupt zur Dokumentation gespeichert werden. So nimmt das BKA in
großem Umfang kriminaltaktische Anfragen (KTA) der
Länder entgegen. Daran schließen sich vielfach keinerlei
weitere Maßnahmen an. Sie werden nur im VBS gespeichert. Es ist zweifelhaft, was damit genau dokumentiert
werden soll. Im Ergebnis werden so die Regelungen zur
Vorsorgespeicherung umgangen. Eigentlich gehören die
KTA in eine Zentralstellendatei, da sie vorsorglich und
recherchierbar vorgehalten werden. Dafür müssen aber
im Einzelfall die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Sehr uneinheitlich waren die vergebenen Aussonderungsprüffristen. Es besteht innerhalb des BKA kein
einheitlicher Maßstab, nach welchen Kriterien diese
für das VBS vergeben werden. Das Gesetz schreibt aber
ausdrücklich vor, dass nur eine „befristete“ Dokumentation zulässig ist. Dies sollte näher konkretisiert werden,
weil die Mitarbeitenden des BKA sonst keinen Maßstab
haben, nach dem sie handeln können. Dies habe ich
ebenfalls beanstandet.
Darüber hinaus fehlte die Möglichkeit, Daten zu kennzeichnen, die mit besonders eingriffsintensiven Maßnahmen erhoben wurden. Auch das habe ich beanstandet. Solche Daten sind schon seit längerem nach den
Vorschriften der Strafprozessordnung zu kennzeichnen.

Select target paragraph3