terschiedlich, wie die mündlichen Urteilsbegründungen
u.a. im Fall eines Brandanschlags in Salzhemmendorf
(Niedersachsen) und in Altena (NRW) deutlich machen.
Das »Deutsche Institut für Menschenrechte« hat die
Expertise für eine solche Evaluation. Diese sollte vom
Bundestag der 19. Wahlperiode in Auftrag gegeben und
entsprechen finanziell ausgestattet werden.
3) Zivilgesellschaft stärken und kontinuierlich
unterstützen
Die Zivilgesellschaft muss sich sowohl mit Demonstrationen, Propaganda und Raumergreifungsstrategien von
Neonazis auseinandersetzen wie auch mit einem gesellschaftlichen Klima, das zusehends verroht. Rechtspopulistische Stimmungsmache gegen »die da oben« und
»die Anderen« polarisiert die Debatten und hat Auswirkungen auf das Zusammenleben der Menschen vor Ort.
Die unabhängigen »Beratungsstellen für Opfer rechter,
rassistischer und antisemitischer Gewalt« sowie die »Mobilen Beratungsteams« unterstützen in manchen Bundesländern seit einem Vierteljahrhundert all diejenigen, die
direkt oder indirekt von rechter Gewalt betroffen sind,
sich für eine demokratische Kultur einsetzen und sich
mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus
auseinandersetzen müssen oder wollen – mit Beratung
in Krisenfällen, langfristiger strategischer Begleitung und
bedarfsorientierter Qualifizierung. Die Beratungsprojekte
sind damit zu verlässlichen Partner*innen der Aktiven
und Zuständigen in den Städten und Dörfern geworden.
Mit Hilfe zur Selbsthilfe, unabhängigen Monitoring zum
Ausmaß rechter Gewalt, Menschenrechten und Demokratischer Kultur als positiven Bezugspunkten arbeiten die Beratungseinrichtungen anlass-, bedarfs- und
ressourcenorientiert.
Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 hatte sich die
Regierungskoalition die Empfehlungen des ersten NSUUntersuchungsausschusses des Bundestages zu eigen
gemacht. Darin heißt es, dass die »Opferberatungsstellen und Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus [sich] als hoch wirksam erwiesen« haben
und dass der Ausschuss »sich mit Nachdruck für eine
Neuordnung der Förderung« ausspricht, die »für Verlässlichkeit sorgt und Planungssicherheit bietet«. In der nun
endenden Legislaturperiode ist diese »Neuordnung« in
Form eines Demokratiefördergesetzes allerdings nicht
umgesetzt worden. Zwar wurden die Mittel im Bundesprogramm »Demokratie leben!« massiv aufgestockt. Nur
ein Bruchteil der Mittel flossen jedoch tatsächlich in
die etablierten unabhängigen Beratungsstrukturen von
»Opferberatungsstellen« und »Mobilen Beratungsteams«.
Nach wie vor hangeln sich die Mitarbeiter*innen der
Beratungsprojekte von Befristung zu Befristung, die
Förderung erfolgt trotz längerer Programmlaufzeiten
noch immer jährlich. Daher ist eine Neuordnung der
Förderung dringend geboten.
Eine neue Ausrichtung der Förderung kann sich nicht
nur an Haushaltstiteln oder Verwaltungsvorschriften
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festmachen. Es braucht ein »Demokratiefördergesetz«
des Bundes, das Rahmen und grundlegende Strukturen
festlegt, das Engagement des Bundes verstetigt und
Probleme in der föderalen Zusammenarbeit löst. Die
konkrete Arbeit in den Regionen darf nicht länger
von politischen Konjunkturen und dem jährlichen
Rhythmus von Mittelbeantragung, -abruf und -verwendungsnachweis geprägt werden. Die konkreten
Probleme müssen dabei benannt werden: es geht
um Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus
und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen. Schon
jetzt beschäftigen sich die Bundesprogramme auch mit
anderen Phänomenen. Die langjährige Beratungspraxis
und die wissenschaftliche Auseinandersetzung zeigen
jedoch, dass unterschiedliche Herausforderungen auch
unterschiedliche Konzepte und Strukturen der Bearbeitung benötigen. Diese Differenzierung von Konzepten
und Strukturen sowie die Benennung der konkreten
Problemfelder ist bei der Erarbeitung eines Bundesgesetzes zu beachten.
Die Mobilen Beratungsteams, die Beratungsstellen für
Betroffene rechter Gewalt und die Beratungsprojekte zu den Ausstiegs- und Distanzierungsberatungen
stellen bundesweit die zentrale unabhängige Struktur
für die Unterstützung zivilgesellschaftlicher, aber auch
anderer Akteur*innen vor Ort. Als solche müssen die
Beratungseinrichtungen konkret benannter Teil eines
Bundesgesetzes werden. Damit einhergehen muss eine
langfristige und strukturelle Förderung der jeweiligen
Beratungsprojekte unabhängig von den jeweiligen
parteipolitischen Konstellationen in den Ländern. Die
teils prekär ausgestatteten Beratungsprojekte in den
westdeutschen Bundesländern müssen endlich adäquat
ausgestattet werden. Die Beratungsprojekte müssen
zudem bundesweit in die Lage versetzt werden, die
erarbeiteten Standards zu halten und auf neue Herausforderungen angemessen reagieren zu können.
Die Fraktion DIE LINKE würdigt ausdrücklich das Engagement tausender Ehrenamtlicher, die seit Jahren Geflüchtete vor Ort unterstützen und dadurch zunehmend
– so wie antifaschistisch engagierte Jugendliche, junge
Erwachsene und ältere Menschen – in den Fokus von
Neonazis geraten. Die Engagierten brauchen die Unterstützung durch alle politisch Verantwortlichen und dürfen
nicht als Nestbeschmutzer*innen diffamiert werden.
4) Geflüchtete integrieren statt rassistischer
Hetzkampagnen
Zu den zentralen Schlussfolgerungen gehört, dass es
nicht ausreicht, die gesellschaftliche Auseinandersetzung
mit Ideologien der Ungleichwertigkeit – wie Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus, aber auch Antiziganismus und Homophobie – auf Neonazis und die extreme
Rechte zu beschränken. Ebenso wichtig sind gesetzliche
Regelungen, die dazu beitragen, dass alle in Deutschland
lebenden Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft,
ihrer sexuellen Orientierung, ihrem sozialen Status, ihrer
Hautfarbe, ihrer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung und ihrem Aufenthaltsstatus – gleiche Rechte und
gleichen Schutz genießen.