geworben worden. »Sein Tarnname war »Treppe«. Und
seine Akte wird in wenigen Monaten, im November 2011,
gezielt im Bundesamt geschreddert werden. »Treppe«
wurde angeblich schon 2001 vom BfV abgeschaltet, der
Grund ist unbekannt. Eines fiel aber auf, so heißt es im
Abschlussbericht des NSU-Ausschusses des Bundestages: ‚Beim VM «Treppe”, der aus der rechtsextremen
Szene Saalfeld stamme, gebe es die Besonderheit,
dass er erhebliche Prämienzahlungen erhalten habe.‘
Bis heute ist nicht klar, warum. Er war aber eingesetzt
in dem Milieu der Heimatschutz-Szene, die auch in die
‚Allgemein-Kriminalität‘ abrutschte, wie andere Rennsteig-Spitzel auch, die mit Waffen- und Drogenhandel zu
tun hatten.«117 Der Zeuge Grasser hat gegenüber dem
Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode angegeben, er sei im BfV V-Mann-Führer von »Treppe« und
»Tusche« gewesen, an ungewöhnlich hohe Prämienzahlungen konnte er sich nicht erinnern.
V-Mann »Tarif«: Bei dem V-Mann »Tarif« handelte es
sich nach dessen Aussagen um den Zeugen Michael S.,
den der Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode
als Zeugen gehört hat.118
Zusätzlich zu den gemeinsamen Bewertungen der
Fraktionen stellt die Fraktion DIE LINKE fest, dass das
BfV mit dem Zeugen Michael S. alias V-Mann «Tarif”
entscheidend dazu beigetragen hat, die militanten Neonazistrukturen der norddeutschen und Thüringer Freien
Kameradschaften und die in Deutschland aktiven Strukturen von Combat 18 um Thorsten Heise, aus denen
heraus das Netzwerk des NSU ebenfalls Unterstützung
erhielt, zu festigen, die dafür notwendigen internationale Kontakte zu knüpfen und aufrecht zu erhalten,
insbesondere zu skandinavischen »Blood&Honour«
und »Combat 18«-Aktivist*innen und mithilfe des vom
Zeugen Michael S. herausgegebenen »Sonnenbanner«
entsprechende Propaganda für »Combat 18« zu machen. Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE hätte der
wegen einer schweren Gewalttat vorbestrafte Zeuge
Michael S. nie als V-Mann angeworben und über einen
Zeitraum von knapp acht Jahren geführt werden dürfen.
Die Fraktion DIE LINKE stellt zudem fest, dass die vom
BfV rekonstruierten und dem Untersuchungsausschuss
vorgelegten Akten zu großen Teilen aus Neonazi-Fanzines und anderweitig öffentlich bekannten Informationen bestanden, keine Abonnenten-Adresslisten des
»Sonnenbanner« enthielten und dass der langjährige
BfV-Referatsleiter Gerd Egevist in seiner Zeugenvernehmung explizit darauf verwiesen hat, dass seiner Ansicht
nach lediglich 10 bis 20 Prozent der Aktenbestände von
«Tarif” im BfV noch vorliegen würden.119 Angesichts des
strategischen Verhältnisses zur Wahrheit sowohl des
ehemalige V-Manns »Tarif« als auch des BfV bei der
Frage, ob es den vom Zeugen Michael S. behaupteten
Anruf von André Kapke zur Unterbringung von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe im Frühjahr 1998 gegeben
hat und wie das BfV darauf reagierte, ist eine abschließende Bewertung der Glaubhaftigkeit der Aussagen von
Aust/Laabs »Heimatschutz«, S. 763
vgl. Zeuge Michael S., Protokoll der 49. Sitzung am 16. Februar 2017
119
vgl. Zeuge Egevist, Protokoll der 39. Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses vom 24. November 2016
117
118

42

Michael S. nicht mehr möglich. Letztendlich profitieren
sowohl das BfV als auch der Zeuge Michael S. von
der Aktenvernichtung durch den Referatsleiter Lothar
Lingen. Völlig offensichtlich und anhand der zahlreichen Polizeiakten gut nachvollziehbar ist jedoch, dass
der Zeuge Michael S. ab 1994/1995 in der gesamten
Thüringer Neonaziszene gut vernetzt war und regelmäßig Kontakt mit Jenaer Neonazis und späteren Unterstützern des NSU-Netzwerks hatte. Auch insoweit ist
die Behauptung von BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen
vom Februar 2015 im Interview mit der Tageszeitung »die
taz«, sein Amt habe »nach dem jetzigen Stand keine VPersonen im Umfeld des NSU«, falsch.120
VM Teleskop: Vor dem Untersuchungsausschuss der
18. Wahlperiode ist Lothar Lingen nach dem Fall »Teleskop« befragt worden, da eine Meldung von Teleskop im
Rahmen der »Operation Drilling« an das LfV Thüringen
von Lothar Lingen weitergeleitet worden war.121 Dabei
handelte es sich bei »Teleskop« um einen vermeintlichen Neonazi-Aussteiger aus Jena mit großer Nähe zu
dem Angeklagten Carsten S. und Ralf Wohlleben, der
sich in 2001/2002 an das BfV Aussteigerprogramm gewandt hatte. Medienberichten zufolge handelte es sich
bei »Teleskop« um den Nachfolger von Carsten S. als
Landesvorsitzender der »Jungen Nationaldemokraten«.122
Schlussfolgerungen:
a) Die Fraktion DIE LINKE stellt fest, dass das BfV mit
den bislang bekannten T-Fällen Neonazis als V-Personen führte, die an der Schnittstelle zwischen organisierter Kriminalität und organisierten Neonazistrukturen mit engen Verbindungen zum NSU-Kerntrio und
dessen Unterstützer*innen aktiv waren und dass das
BfV sowohl den Prozessbeteiligten des Verfahrens
vor dem OLG München als auch den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen weitere Erkenntnisse zu der Identität der V-Personen vorenthält, so
dass eine abschließende Bewertung über die Bedeutung der V-Personen im Kontext der Suche nach dem
mutmaßlichen NSU-Kerntrio weiterhin nicht möglich
ist.
b) Die Fraktion DIE LINKE stellt darüber hinaus fest,
dass die Aktenvorlagen der rekonstruierten Deckblattmeldungen der V-Leute der »Operation Rennsteig« an den Untersuchungsausschuss der 18.
Wahlperiode unvollständig sind.
c) Die Fraktion DIE LINKE betont, dass das BfV nach einem entsprechenden Beweisbeschluss (BMI 54) dem
Ausschuss mitgeteilt hat, dass bis auf einen geringen
Restbestand die Akten zum VM »Teleskop« im BfV
verschwunden seien. Das Verschwinden sei im Jahr
2010 bemerkt worden. Bei »Teleskop« habe es sich um
vgl. Verfassungsschutzchef Maaßen: »Am Rand dessen, was möglich
ist«, die tageszeitung vom 11. Februar 2015, http://bit.ly/2z9yKpz
121
vgl. Kapitel Maßnahmen nach dem Abtauchen von Uwe Böhnhardt,
Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, 2) dd) Abstimmung zwischen BfV und
LfV Thüringen und MAT-A-OLG-1 N27, S. 139
122
vgl. u.a. Blog NSU Nebenklage, Letzte Beweisanträge vom 17.5.2017,
http://bit.ly/2y5hHol
120

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